… geht es erst so richtig los.
Jeder Jeck ist andersIm Karneval bzw. Fasching gibt es nur eine eiserne Regel: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. Ab da übernehmen wieder die Jecken aus der Politik. Startschuss ist der „Politische Aschermittwoch“, an dem, sehr zum Gaudium des Publikums, kräftig gegen den politischen Gegner geholzt werden darf. Das aber ist, wie schon der Wahlkampf zuvor, eine reine Show-Veranstaltung. Unser letzter Smart Investor Weekly stand in der Vorwoche nicht umsonst unter dem Titel „Wahl|ver|spre|chen, das – Wäh|ler|täu|schung, die“. Neu ist allenfalls die Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit dem die Wähler diesmal hinter die Fichte geführt wurden. Während die Schuldenbremse noch ein wichtiges Wahlkampfthema war, mit dem CDU/CSU, FDP und AfD auf Stimmenfang gegangen waren, sieht es nach der Wahl so aus: Die FDP hat im Bundestag erst einmal nur noch Erinnerungswert, die AfD ist zwar zweitstärkste Partei, bleibt aber der Paria im deutschen Parlament und der voraussichtliche künftige Kanzler Friedrich Merz macht mit seiner Gedächtnisleistung in Bezug auf das Wahlversprechen Schuldenbremse seinem Vorgänger Olaf Scholz Konkurrenz.
Wählerverachtung im TurbomodusWer mit einer CDU-geführten Regierung auch nur ansatzweise konservative Haushaltsprinzipien verbunden hat, der sieht sich maximal getäuscht. Der Staatshaushalt wird sogar noch schneller verlottern als unter Rot-Grün – und das ist ein echtes Kunststück. Manch einem mag nun dämmern, dass die FDP so etwas wie das letzte Bollwerk gegen den Schuldenstaat auf Steroiden war. Sie verließ die Koalition im Dezember wegen, aus heutiger Sicht, läppischen 3 Mrd. EUR. Die CDU ist sicher kein Bollwerk des Steuerzahlers. Im Gegenteil: Sie hat es sogar auffallend eilig, den neuen Kurs einzuschlagen. Dabei tritt sie den Willen der Wähler – das ist ein Novum – schon vor der Aufnahme der Amtsgeschäfte mit Füßen. Schon nächste Woche soll die Aufweichung der Schuldenbremse im Bundestag durchgedrückt werden. Als Vorwand für die Eile dienen ein imaginierter möglicher NATO-Austritt der USA nach dem Selenskyj-Eklat im Weißen Haus und ein ebenfalls imaginierter Angriff Russlands auf Deutschland, also jenes Russlands, dass sich schon seit vielen Monaten nur meterweise gegen die Ukraine durchsetzen kann, die überdies weiter russisches Territorium besetzt hält. Auf diese Weise soll wohl eine Art „Notstand“ konstruiert werden, der eine derart weitreichende Entscheidung des bereits abgewählten alten Bundestags erlaubt. Die Parteienkonstellation dort entspricht klar nicht mehr dem Wählerwillen. So soll noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags, die zwingend spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfinden muss, eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht werden, was keineswegs sicher ist, um auf diese Weise sogar das Grundgesetz ändern zu können. Mehr an Wähler- und Demokratieverachtung geht eigentlich nicht mehr. Dagegen gehörte die nach der Bundestagswahl 2021 aus dem Hut gezauberte Impfpflicht-Debatte fast schon zu den lässlichen Sünden der Wählertäuschung – „unsere Demokratie“ eben.
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Konkret soll es eine Ausnahme für die Schuldenbremse für jene Militärausgaben geben, die über 1% des BIP p.a. hinausgehen. Das NATO-Ziel liegt bei 2%, gefordert werden zwischenzeitlich aber auch schon deutlich höhere Anteile. De facto gibt es dann keine verfassungsrechtliche Begrenzung mehr für den Militärbereich. Damit in dieser Hinsicht keine Missverständnisse aufkommen, kopierte Merz gestern gleich noch selbst Mario Draghi: „Whatever it takes.“ Wir gehen davon aus, dass für diese Politik zudem die Merkel‘sche „Alternativlosigkeit“ postuliert werden wird. So ruiniert man nicht nur den Staatshaushalt, sondern am Ende auch gleich noch die Währung selbst. Es ist also kein Wunder, dass europäische Rüstungsaktien seit Wochen haussieren. Dass die CDU sich stärker „für die Ukraine“ engagieren wollte als die SPD unter Olaf Scholz, war bereits vor dem gestrigen Übereinkommen klar. Dass der Transatlantiker Merz dies aber unabhängig von den parallel stattfindenden Friedensbemühungen der US-Regierung tun würde, und dass die deutsche Politik ausgerechnet jetzt wieder einen ihrer berüchtigten Sonderwege einschlagen würde, konnte man allenfalls erahnen. Auch die Hysterie, mit der in einigen europäischen Hauptstädten – sowie in Brüssel selbst – die Bevölkerung derzeit auf Krieg(stüchtigkeit) eingeschworen wird, lässt Schlimmes befürchten. EU-Kommissionschefin von der Leyen brachte weitere 800 Mrd. EUR an EU-Rüstungsausgaben ins Spiel. Das steigert nicht nur die Freude bei den Aktionären, sondern erlaubt es der EU über das Kriegsgespenst die Aufnahme von EU-Schulden voranzutreiben.

Während sich manch einer nach der 180-Grad-Wende von Friedrich Merz die 360-Grad-Wenden von Annalena Baerbock zurückwünscht, hat der große Wurf, auf den sich CDU/CSU und SPD gestern grundsätzlich geeinigt haben, noch einen weiteren Aspekt. Ebenfalls außerhalb der Schuldenbremse soll ein Sondervermögen über 500 Mrd. EUR – 100 Mrd. EUR sollen an die Länder fließen – für Infrastrukturausgaben im Grundgesetz verankert werden. Dieses „Sondervermögen“ ist, aller sprachlichen Schönfärberei zum Trotz, nichts anderes als eine weitere Erhöhung der Staatsverschuldung. Am Ende werden daraus Inflation und/oder Sondersteuern. Es ist jedenfalls kaum zu erwarten, dass es aus Investitionen zusätzliche Rückflüsse in den Staatshaushalt geben wird, es sei denn, dafür wird eine eigene Nutzungsgebühr bzw. Maut erhoben, womit der Bürger dann einmal mehr doppelt bezahlt. Perfiderweise könnte durch die Taschenspielertricks mit den Sondervermögen sogar der Bundeshaushalt entlastet werden, was dort zusätzliche Ausgaben erlauben könnte. Behalten Sie gerne im Hinterkopf, dass es Friedrich Merz war, der schon im vergangenen Jahr die Sparguthaben der Bürger „mobilisieren“ wollte, ganz so, als seien diese Verfügungsmasse der Politik. Die entsprechenden Bau- und Infrastruktur-Aktien machten heute jedenfalls erst einmal einen Freudensprung. Langfristig sind aus Sicht der Austrians beide Maßnahmen, deren Kreditvolumen allein für Deutschland über die nächsten zehn Jahre auf 1.000 Mrd. EUR geschätzt wird, schon deshalb kritisch zu sehen, weil ein immer größerer Teil der volkswirtschaftlichen Ausgaben direkt durch die Hände der Politik geht und damit allenfalls kreditfinanzierte, branchenspezifische Strohfeuer auslöst.
Eskalation oder Deal?Die waren auch dringend nötig, denn der Markt litt bis zu dieser fiskalpolitisch angetriebenen Kursparty unter dem Blues. Vor allem zwei Themen lasteten auf der Kursentwicklung. Zum einen machten die USA mit der Verhängung von Strafzöllen ernst. In einer ersten Runde waren Kanada, Mexiko und China betroffen. Zölle wirken in der Tendenz immer wohlstandsmindernd und preistreibend. Der genaue Mechanismus hängt natürlich stark von den betroffenen Produkten und vom Volumen der Handelsströme ab. Zudem verstimmte die Märkte die Aussicht auf Gegenmaßnahmen. Denn üblicherweise wird ein Land, gegen das Zölle verhängt wurden, in irgendeiner Weise reagieren. Dies muss aber nicht zwangsläufig zu einer Eskalation führen, sondern könnte auch am Verhandlungstisch enden, gerade, weil Donald Trump so gerne Deals abschließt.

Das andere Thema, das für Verstimmung sorgte, war die Schwäche der Tech-Aktien. Hier spielen viele Themen zusammen. Sobald in diesem Bereich auch nur kleine Wolken aufziehen, beginnen die Marktteilnehmer die Bewertungen zu hinterfragen, die wenig Spielraum für Enttäuschungen lassen. Ein Paradebeispiel in dieser Hinsicht ist NVIDIA (WKN: 918422). Das Management hatte zwar wieder einmal geliefert, mit einigem Abstand wurden dann aber die Haare in der Suppe gefunden und die Aktie ging auf Tauchstation. Damit bestätigte sich das negative Chartbild. Insbesondere vom Abwärts-Gap aufgrund des DeepSeek-Schocks konnte sich das Papier bislang nicht überzeugend erholen. Das Schließen des Gaps mutete mehr wie eine Pflichtübung an. Unmittelbar danach ging es wieder deutlich bergab.
Etwas anders liegt der Fall bei Tesla (WKN: A1CX3T). Die Aktie war einer der großen Gewinner der Trump-Wahl und tatsächlich wurde Elon Musk zu einem der wichtigsten und exponiertesten Berater des neuen US-Präsidenten. Das schmeckte nicht jedem, denn die klassische E-Auto-Klientel neigt eher grünen Themen zu und gilt nicht unbedingt als Trump-Anhänger. Entsprechend kam es schon in mehreren Ländern zu Boykott-Aufrufen gegen Tesla, andere Mütter haben schließlich auch schöne E-Auto-Töchter. Insofern ist die Rechnung zu einfach, dass hier ein Superreicher die Nähe zur Regierung gesucht habe, um seine Geschäfte zu fördern. Zumindest für Tesla, bei weitem nicht das einzige Geschäftsinteresse von Musk, wäre eine solche Rechnung jedenfalls erst einmal nicht aufgegangen.

Wie zerronnen, so gewonnen, könnte man in Abwandlung einer bekannten Spruchweisheit in Bezug auf die letzten Handelstage im DAX denken. Im Prinzip sehen wir hier innerhalb von drei Börsensitzungen zwei harte Kursumschwünge unter reger Umsatzbeteiligung. Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern führt jede Kursanalyse an ihre Grenzen. Nachdem der deutsche Leitindex am Montag unter sehr hohen Umsätzen ein neues Allzeithoch ausbildete (+2,64%), schockte die Nachricht von den US-Handelszöllen am Dienstag und sandte deutsche Standardwerte um durchschnittlich -3,5% nach unten. Obwohl Deutschland noch nicht direkt betroffen ist, reagiert man bei einer der führenden Exportnationen besonders empfindlich auf Störungen des Welthandels. Dies umso mehr, als die US-Regierung bereits Drohungen gegen die EU und Deutschland ausgesprochen hatte und die Inkraftsetzung von Strafzöllen gegen andere Länder gezeigt hat, dass es der US-Regierung mit dieser Form der Handelspolitik ernst ist. Am Mittwoch wurde dagegen der Fiskalstoß verarbeitet (+3,1%), was sich insbesondere in den Bereichen Bau und Infrastruktur zeigte. Zu prognostizieren ist kaum, wann solche externen Impulse auf die Märkte treffen, die damit derzeit zu einem Spielball der Politik geworden sind.
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Musterdepots & wikifolio
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Fazit
Die Politik bleibt auch nach der Wahl ein Ärgernis. Eigentlich sollte es bei einer derart massiven Wählertäuschung ein Recht auf Neuabgabe der Stimme wg. Wegfall der Geschäftsgrundlage geben. Vom Recht in Ruhe gelassen zu werden, auch und ganz besonders von Politikern, entfernen wir uns leider immer weiter.
Ralf Flierl, Ralph Malisch


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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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