Warum der zweite Blick lohnt
Beispiellose Erfolgsstorys
Wenn man den Börsenaufschwung der letzten Jahre betrachtet, dann ist er ohne die sogenannten „Magnificent 7“ kaum vorstellbar. Die Glorreichen Sieben, das sind Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, Horst Buchholz, Robert Vaughn, Brad Dexter und James Coburn – zumindest in der Originalbesetzung aus dem Jahre 1960. Spaß beiseite, denn auch heute elektrisieren „Glorreiche Sieben“ die Märkte. Die neuen Stars heißen Amazon, Alphabet, Apple, Meta Platforms, Microsoft, Nvidia und Tesla. Der Begriff wurde von Michael Hartnett (Bank of America) geprägt, allerdings erst im Mai 2023. Es war ein weiterer, typischer Marketing-Begriff der US-Investmentbranche, mit dem die Anlegergemeinde für diese Aktien und die darauf aufgelegten Produkte begeistert werden sollte. Damit lösten die MAG7 die in die Jahre gekommenen FAANG- sowie die in Ungnade gefallenen BRICS-Investments als das neue heiße Ding ab. Schon bis zum Mai 2023 konnten die Glorreichen Sieben überzeugen. Danach waren es vor allem Nvidia (> +200%) und Meta Platforms (>+100%) welche der Gruppe weiter zu Glanz verhalfen. Dagegen schafften es Tesla und Apple lediglich, sich halbwegs durchzuschleppen. Sie waren nicht nur unter den Glorreichen die Schlusslichter, selbst hinsichtlich der breiten Marktindizes waren es Underperformer.
Die Aktie schlechthin?
Wenn zwei von sieben der Glorreichen nicht einmal den breiten Markt schlagen können, dann ist dies ein Hinweis darauf, auf welch dünnen Beinen die aktuelle Hausse steht. Marktbreite geht anders. Wenn man an Apple denkt, dann denkt man automatisch an eine weitere Ikone des Marktes – Berkshire Hathaway (WKN: A0YJQ2). Die Investmentholding von Warren Buffett gehört zu den größten Anteilseignern und auch hier kann der Kurs seit Monaten den Markt nicht mehr überzeugend schlagen, wenn er auch deutlich besser verlief als der von Apple. Nach dem einsamen Verlaufshoch am 26.2.24 tendierte der Kurs per Saldo seitwärts. Zwar wurde am 28.3. ein neues Allzeithoch auf Schlusskursbasis erreicht, dieses lag aber nur minimal über dem Schlusskurs vom besagten 26.2. Der S&P 500 konnte in dieser Zeit stärker zulegen. Eine solche Divergenz könnte ein frühes Warnzeichen für eine weitere Kursschwäche sein. Fundamental fehlt Buffett seit dem Tod von Charlie Munger sein kongeniales Alter Ego, was ein weiteres Mosaiksteinchen für eine Rückkehr der Ausnahmeaktie zur Normalität darstellen könnte. Zudem verfügt das Papier über eine langjährige Fangemeinde. Wer also wollte ernsthaft gegen dieses fast sakrosankte Papier argumentieren? Die charttechnische Divergenz dürfte überzeugten Buffett-Anhängern nicht einmal ein müdes Lächeln entlocken. Doch diese Selbstsicherheit kann sich als zweischneidiges Schwert entpuppen. Zwar hilft sie den Aktionären mühelos über kleinere Unebenheiten im Kursverlauf hinweg, der echte „Buffettiers“ ohnehin kaum interessiert, sie kann aber auch dazu führen, dass erst spät reagiert wird, falls sich Grundsätzliches verändern sollte. Die Gefahr, dass sich die tatsächliche Entwicklung von der gefestigten Überzeugung entfernen könnte, gerade in einer Welt voller Umbrüche, ist jedenfalls nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Mit den Pros und Contras zu diesem Papier werden wir uns übrigens im nächsten Smart Investor noch intensiv beschäftigen.
Aufgebläht und abgemagert
Eine weitere Börsenikone der letzten Jahre ist die dänische Novo Nordisk (WKN: A3EU6F). Die Aktie wurde erst letztes Jahr zum wertvollsten Unternehmen Europas. Das Unternehmen liegt mit seinen Abnehmmitteln Ozempic und Wegovy gleich fest in mehreren Trends. Zum einen gieren die übergewichtigen Gesellschaften dieser Welt nach den Schlankmachern, zum anderen soll der Fettverlust natürlich auch noch mühelos erreicht werden. Dabei ist Ozempic für diesen Bereich mehr oder weniger ein Zufallsfund, denn ursprünglich und eigentlich ist das Mittel gegen Diabetes-Typ-2 auf den Markt gebracht worden. Die Verwendung als Abnehmspritze für Nicht-Diabetiker erfolgte entsprechend „off label“. Mit Wegovy legte Novo-Nordisk dann eine höhere Dosierung vor, die speziell für stark Übergewichtige entwickelt wurde. Da die westliche Lebensweise aus Fehlernährung und Bewegungsmangel zudem einen nicht enden wollenden Strom an Übergewichtigen erzeugt, scheint die Zukunft des dänischen Pharmagiganten gesichert. Jein, denn wie immer, wenn die Marktteilnehmer in solchen Goldlöckchen-Szenarien schwelgen, werden mögliche Probleme leicht übersehen. Und die gibt es durchaus. Inzwischen werden im Internet schon Galerien mit sogenannten Ozempic-Gesichtern gezeigt, die zwar schlank sind, aber nicht gerade gesund aussehen. Auch häufen sich die Berichte, dass man rasch wieder zunehmen würde, sobald man die Spritze absetzt. Aus Sicht des Herstellers klingt das oberflächlich zwar nach der Win/Win-Situation eines lebenslang Abhängigen, wer aber noch nicht „an der Nadel hängt“, dürfte sich zweimal überlegen, ob er sich in eine solche Abhängigkeit begeben will. Schließlich und vielleicht am Wichtigsten, jedes margenstarke Produkt zieht unweigerlich den Wettbewerb an, der Konkurrenzprodukte entwickeln wird. Ein Segen der Marktwirtschaft, der für Unternehmen mit absurd hohen Margen, zu denen auch Nvidia gehört, allerdings auch zum Fluch werden kann.
Flügellahm?
Wie so ein Abstieg aus dem Olymp aussehen kann, hat Boeing (WKN: 850471) demonstriert. Das Unternehmen war mehr als eine Ikone. Mit dem Aufstieg der zivilen Luftfahrt wurde es zum Quasi-Monopolisten bei Passagier-Düsenjets in der westlichen Welt. Erst mit der Gründung von Airbus versuchten die Europäer dem etwas entgegenzusetzen – ein Versuch, der in den Anfangstagen schon deshalb belächelt wurde, weil Produktion und Endmontage unnötig kompliziert auf verschiedene Standorte verteilt wurden. Dem Proporz der deutsch-französischen Partner musste Genüge getan werden. Mit den Jahren mauserte sich das ehrgeizige Projekt nicht nur zu einem ernsthaften Konkurrenten, sondern zum Platzhirsch in Sachen Qualität und Zuverlässigkeit. Parallel rutschte die Zivilluftfahrtsparte von Boeing immer weiter ab. Nach der Häufung von Beinahe-Unfällen soll es Passagiere geben, die keine Boeing mehr betreten wollen. Whistleblower enthüllten zuletzt wie sehr der Konzern aus Seattle auf Profit getrimmt ist, und wie sehr dies auf Kosten von Qualität und Sicherheit gehen soll. Zwei prominente Whistleblower verstarben zudem nach ihren Enthüllungen unter mehr oder weniger mysteriösen Umständen. Der Aktienkurs von Boeing hat seine besten Tage zudem schon lange hinter sich. Das Allzeithoch stammt aus dem Jahr 2019. Kritiker bemängeln, dass es im Wesentlichen die Rüstungssparte ist, die den Konzern in der Luft hält. Und in diesem Bereich dürften die Aufträge auch weiter sprudeln. Insofern ist das Unternehmen für die USA von strategischer Bedeutung, weshalb wohl nicht mit einem Totalabsturz zu rechnen ist. Wer aber auf Rüstungsaktien setzen will, der dürfte bei Pure Plays wie General Dynamics (WKN: 851143) eher fündig werden.
Deutsche Dividendentitel: heute BMW AG
Normalerweise machen Dividendensammler einen großen Bogen um Aktien mit einer Dividendenkürzung. Doch im Falle von BMW (WKN: 519000) lohnt es sich tatsächlich, noch einmal genauer hinzusehen. Den Autohersteller aus Bayern muss man nicht näher vorstellen, also lassen Sie uns gleich die Dividendenpolitik analysieren:
Der Vorstand schlägt für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende von 6,00 EUR pro Aktie vor. Ganze 2,50 EUR weniger als noch vor einem Jahr. Grund dafür ist der merkliche Gewinnrückgang im abgelaufenen Jahr, der mit der vollständigen Übernahme der chinesischen Tochter BBA in 2022 zusammenhängt. Eine Neubewertung der Anteile hatte damals den Gewinn extrem nach oben getrieben und damit auch die letztjährige Dividende. Trotz der aktuellen Kürzung sprechen wir aber immer noch von knapp 6% Dividendenrendite, womit BMW sicher in den Top Ten der spendabelsten deutschen Dividendenzahler rangiert. Die Münchner halten sich strikt an ihre eigene Vorgabe, rund 35% des Gewinns an die Aktionäre auszuzahlen. So kann es wie in den Jahren 2020, 2021 und eben aktuell zu Kürzungen kommen. Aber stets auf einem sehr hohen Niveau. Wer mit solchen Einkommensschwankungen leben kann und am 21. Mai 2024 in den Genuss der einjährigen Gewinnausschüttung kommen möchte, sollte sich die Aktie bis zum Ex-Datum 16. Mai 2024 ins Depot legen.
Zu den Märkten
Einen erneuten Versuch zur Rückeroberung des steilen Aufwärtstrendkanals startete der DAX in der laufenden Berichtswoche. Rückenwind kam vor allem von der Berichtssaison, die bislang insgesamt mehr positive als negative Überraschungen für die Börsianer bereithielt. Am Mittwoch war es dann soweit und der Markt lugte kurzzeitig über die untere Kanalbegrenzung, konnte dieses Niveau bis zum Reaktionsschluss dieser Ausgabe jedoch nicht verteidigen. Im Ergebnis zeigt sich das Bild damit deutlich eingetrübt. Die Aufwärtsbewegung scheiterte fast punktgenau am Allzeithoch vom 2.4.24, womit sich die Option auf ein Doppeltopp eröffnet. Dieses wäre allerdings erst dann vollendet, wenn die Nackenlinie bei 17.630 Punkten nach unten durchschlagen würde. Zuvor müsste der deutsche Leitindex also rund 800 Punkte nachgeben, um an diese Entscheidungsmarke zu gelangen.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zu den Käufen in unserem Musterdepot, einen Verkauf, sowie Neues zu unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Die große Monatstabelle für April 2024 inklusive Transaktionen des Berichtszeitraums finden Sie hier. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Es gibt Aktien, die scheinen über jeden Zweifel erhaben zu sein, manchmal sind sie es auch, aber immer nur für eine gewisse Zeit.
Ralf Flierl, Ralph Malisch
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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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