Kapitalschutz
„Wenn Sie möchten, betrachten Sie den Inhalt dieses Buches als frei erfunden, oder sogar als die wirre Rede eines Verrückten. Vielleicht bin ich verrückt.“ (David Rogers Webb)
Persönliche und familiäre Hintergründe
David Rogers Webb, vormals Finanzanalyst und Hedgefondsmanager, hat mit „The Great Taking“ („Die Große Enteignung“) ein Buch vorgelegt, das es in sich hat. Er wagt dort einen tiefen Blick hinter die Kulissen der Finanzwelt und will dabei höchst Alarmierendes entdeckt haben. Entsprechend warnt er vor nicht weniger als einer nahezu umfassenden Enteignung der Anleger, die zudem von langer Hand geplant sein soll. Aber wer ist der Mann und was motiviert ihn? Webb verbrachte seine Kindheit und Jugend in Cleveland, einst industrielles Kerngebiet der USA. In den Jahren nach dem Kennedy-Attentat, das Webb als Kind erlebte, erfolgte ein rasanter industrieller Niedergang der Region, inkl. sozialer Unruhen. Seine Familie musste sogar Gewaltakte gegen ihr Geschäft hinnehmen. In dieser Zeit entwickelte Webb nicht nur Resilienz, sondern auch ein tiefes Interesse für wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends. Im Erwachsenenalter zog es ihn dann in den Finanzsektor, wo er eine erfolgreiche Karriere absolvierte. Durch seine eigene Lerngeschichte glaubt Webb, eine besondere Perspektive auf die Dynamik der Macht und des Geldes sowie deren Einfluss auf individuelle und kollektive Schicksale gewonnen zu haben.
Die Prämisse
Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, die komplexen und oft verdeckten Strukturen zu erkunden, welche die globale Wirtschaftsordnung prägen. Seine besorgniserregende Prämisse:
„Es geht um die Enteignung von Sicherheiten, und zwar von allen Sicherheiten. Diese Enteignung ist das Ziel, das Finale des gegenwärtigen, weltweit synchronisiert ablaufenden Superzyklus von wachsender Verschuldung. Sie ist von langer Hand vorbereitet worden, einem Plan folgend, der so unfassbar kühn und weitreichend ist, dass der Verstand sich sperrt.“
Die aktuelle Situation sieht Webb als einen „hybriden“ Krieg, der sich durch Täuschung und die schleichende Erosion des Privateigentums auszeichne. Die treibenden Kräfte seien die Kontrolleure der Zentralbanken, eine elitäre Gruppe, welche die Geldschöpfung kontrolliere und damit über politische, wirtschaftliche und mediale Macht verfüge. Das Problem: Webb kann diese im Verborgenen wirkenden Strippenzieher naturgemäß nicht konkret benennen. Allenfalls die angeheuerten, aber austauschbaren Strohmänner und -frauen dürften wir sehen. Für Kritiker klingt das nach einer geradezu klassischen Verschwörungstheorie.
Unverdächtige Zeugen
Kapitalschutzexperte Josef Schöftenhuber, Active Synergie Consulting, hält die These allerdings für plausibel: „Die Steuerung der gesamten (finanziellen) Welt erfolgt durch das sogenannte obere eine Prozent, besser wohl durch die oberen 0,0001%.“ Auch Webb kann einen unverdächtigen Zeugen für sein Narrativ präsentieren. So beschreibt er zwei Begegnungen mit Investorenlegende George Soros, den etliche Beobachter aufgrund seiner gesellschaftspolitischen Ambitionen selbst für einen der großen Strippenzieher halten. Nachdem sich beide über Webbs Analysen ausgetauscht hatten, machte Soros gegenüber Webb eine bemerkenswerte Andeutung über das Finanzsystem: Er, Webb, habe keine Ahnung, was die alles tun könnten. Webb interpretierte dies als Hinweis auf mächtige Akteure im Hintergrund.
Schleichender Prozess
Als den entscheidenden Schritt im Plan zur globalen Enteignung von Sicherheiten sieht Webb die schleichende Dematerialisierung von physischen Wertpapieren zu rein digitalen Einträgen. Interessanterweise spielte ein früherer (?) CIA-Agent, William Dentzer, Jr., eine zentrale Rolle in der frühen Phase dieser Transformation. Dentzer, der keine vorherige Erfahrung im Finanzwesen hatte, wurde zum Bankenaufseher im Staat New York ernannt, später sogar für mehr als zwei Jahrzehnte zum Vorsitzenden der Depository Trust Corporation (DTC). Webb hegt Zweifel, dass die sogenannte Papierkriegskrise der späten 1960er-Jahre der wahre Grund für die Dematerialisierung war. Damals musste die New Yorker Börse mehrfach den Handel aussetzen, weil die enorme Handelsmenge in physischen Aktienzertifikaten nicht zu bewältigen war. Vielmehr spekuliert er darüber, ob diese Krise inszeniert wurde, um den Übergang zu beschleunigen. Trotz der angeblichen Dringlichkeit dauerte es nämlich viele Jahre, bis ein signifikanter Grad an Dematerialisierung erreicht wurde. Interessant sind die langfristigen Folgen, denn die DTC diente global als Modell für zentrale Verwahrstellen (Central Securities Depositories; CSDs) und zentrale Clearing-Gegenparteien (Central Clearing Counterparties; CCPs), durch welche die Kontrolle über das Finanzsystem weiter zentralisiert worden sei.
Der Präzedenzfall
Parallelen zieht er zwischen den aktuellen wirtschaftlichen Strategien und historischen Ereignissen wie der Großen Depression und den Weltkriegen. Er behauptet, dass die gegenwärtigen Entwicklungen Teil eines größeren, langfristigen Plans seien, der sich bis in das 20. Jahrhundert zurückverfolgen lasse. In der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre sieht er gar den Präzedenzfall für einen solchen Plan und für dessen vorsätzliche Ausführung mit verheerenden Konsequenzen. Auch Schöftenhuber geht von einer „generalstabsmäßigen Vorbereitung“ aus, die es den Akteuren sogar erlaube, den Zeitpunkt für die Umsetzung zu bestimmen. Ein zentrales Thema des Buchs ist der „Great Reset“, der darauf abziele, den globalen Reichtum und die Macht in noch nie dagewesenem Ausmaß zu zentralisieren. Webb warnt davor, dass dieser Prozess zu einer radikalen Umverteilung von Eigentum und Rechten führen könne, die weit über gewöhnliche finanzielle Krisen hinausgehe.
Die Illusion des Eigentumsrechts an Wertpapieren
In der Folge unterscheidet Webb zwischen den rechtlichen und den faktischen Besitzverhältnissen moderner Finanzinstrumente. Durch eine Analogie verdeutlicht er, wie groß die Täuschung um das Eigentum an Wertpapieren ist. Die Situation sei so, als ob man ein Auto kaufen und vollständig bezahlen, dieses aber weiter vom Verkäufer heimlich als Sicherheit für dessen Kredite eingesetzt würde. Das führe zu der paradoxen Situation, dass das vermeintliche Eigentum der Anleger bei einer Insolvenz der Finanzinstitution gefährdet sei. Die rechtlichen Grundlagen dieser Praxis sind inzwischen tief in jenen Gesetzen verankert, die über Jahrzehnte hinweg entwickelt wurden. Webb erklärt, wie….
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