Außergewöhnliche Zeiten

Kolumne

Gastbeitrag von Prof. Dr. Max Otte, CIO der PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH

Im Bärenmarkt
Seit September 2021, also seit ­mittlerweile über neun Monaten, legt die Börse den Rückwärtsgang ein. Viele wichtige ­Indizes befinden sich technisch klar in einem Bären­markt. Besonders hart getroffen hat es die Technologiebörse Nasdaq, an der ­zahlreiche Internet- und ­Technologieunternehmen notiert sind. Dieser Abwärtstrend läuft bereits deutlich länger, als die letzten drei Kor­rekturen dauerten. Gemeint sind damit die Angst vor einem Handelskrieg mit ­China und einer neuen Eurokrise Mitte 2015 sowie die durch die Sorge vor einer Zinserhöhung ausgelöste deutliche Korrektur von Ende 2018. Nach dem jähen Einbruch zu Beginn der Corona-Krise entwickelten sich die Börsenkurse fast eineinhalb Jahre lang steil nach oben. Wie wir jetzt sehen, kam es dabei zu ­Übertreibungen. Schon länger bestehende Risiken werden nun wieder eingepreist.

Negative Stimmungstreiber
Vor allem zwei Entwicklungen treiben die negative Stimmung in den ­Finanzmärkten. Zum ersten Mal seit dem Zweiten ­Weltkrieg gibt es einen größeren Krieg in Europa. Zeitgleich macht sich die lange ­aufgestaute Inflation nun eruptionsartig bemerkbar. Die Verantwortlichen geben sich überrascht und schieben das auf den Ukrainekrieg. Dabei war seit mehr als einem Jahrzehnt absehbar, dass es so kommen ­musste. Erstaunlich ist eher, wie lange die Infla­tion mit Tricks und direkten Eingriffen zurück­gehalten werden konnte. In „Der Crash kommt“ habe ich 2006 zum ersten Mal einen Rückwärtsgang bei der Glo­balisierung prognostiziert und auch vor dem Risiko eines Kriegs gewarnt. Ganze 13 ­Jahre später habe ich 2019 mit „Weltsystemcrash“ ein weiteres Krisenbuch geschrie­ben. ­Viele meiner Analysen aus den beiden Büchern haben sich leider bestä­tigt. Die Weltwirtschaft wird auf diese Entwicklungen mit ei­ner tiefgreifenden Transformation reagieren.

Alternativlose Aktie
Als Aktienfan, Langfristanleger und ­Value Investor bin ich sozusagen von Beruf aus zuversichtlich. Wie lange und weit die Korrektur noch weitergehen wird, kann niemand genau sagen. Es spricht einiges dafür, dass sie sich noch länger hinziehen könnte. Der fundamentale Umbruch, in dem sich die Welt gerade befindet, wird wohl noch ­einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Erholung wird vermutlich etwas ­länger benötigen als bei den vergangenen Crashs – doch sie wird kommen. Eines jedoch ist unumstößlich: Als Assetklasse sind ­Aktien hinsichtlich der Vermögenssicherung in den kommenden Monaten und Jahren alter­nativlos. Nach 40 Jahren an der ­Börse brenne ich auch heute noch für das ­Thema Value Investing und freue mich auf die kommende Börsenphase. Sie wird in jedem Fall herausfordernd – aber gerade ­darin liegen auch die Chancen für den gedul­digen Investor.

Prof. Dr. Max Otte studierte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre sowie politische Wissenschaften in Köln und Washington, D.C. und promovierte in Princeton. Im Jahr 2016 gründete er die PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH mit Sitz in Köln. Das Unternehmen betreut drei Publikumsfonds und zudem mehrere geschlossene Privatmandate von ins­titutionellen Investoren. Unternehmen, an denen Prof. Dr. Otte beteiligt ist, ­betreuen insgesamt 2,5 Mrd. EUR an Kunden­geldern. Sein neues Buch – „Endlich mit Aktien Geld verdienen!“ – wird im Herbst 2022 beim FinanzBuch Verlag erscheinen. Er ist zudem Herausgeber des Kapital­anlagebriefes „Der Privatinvestor“.