„Noch nie in der Geschichte haben die Regierungen so wahnsinnig reagiert“

Martin Armstrong

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit dem legendären Zyklenanalysten Martin Armstrong über Corona, Krieg und die Umgestaltung der Welt

Smart Investor: Herr Armstrong, im Jahr 2015 kam „The Forecaster“, ein eindrucksvoller Film über Ihr Leben, in die Kinos. Wir haben Sie in Smart Investor 5/2015 ausführlich interviewt. Wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergan­gen und was sind Ihre aktuellen Projekte?
Armstrong: Ich habe bei einer Fortsetzung des Films mitgewirkt, die noch in diesem Jahr herauskommen wird. Ansonsten ­haben wir unsere Dienstleistungen erweitert und unser Computersystem nun auf den Markt gebracht, also das System, das die ­Regierung für sich allein haben wollte. Es produziert jetzt täglich über 1.000 schriftliche Berichte über die ganze Welt ohne menschliches Zutun. Wir nutzen es inzwischen in über 40 Ländern und haben damit wahrscheinlich den größten institutionellen Kundenstamm weltweit.

Smart Investor 5/2015

Smart Investor: Würden Sie unseren ­Lesern noch einmal kurz Ihren Pro­gnoseansatz erläutern?
Armstrong: In den 1980er und 1990er-­Jahren war ich einer der größten internationalen Hedgefondsmanager, der sogar zum Hedgefondsmanager des Jahres ­gekürt wurde, weil er den Zusammenbruch Russlands vorausgesagt hatte, welcher 1998 die Krise des Hedgefonds Long-Term Capital Management auslöste. In dieser Zeit ­hatte ich beobachtet, wie sich das globale An­lagekapital immer wieder auf einzelne Märkte konzentrierte, um dann wieder weiterzuwandern – 1989 verließ es Japan, 1994 Südostasien und 1998 Russland, ­gefolgt vom Euro. Das alles wurde durch Kapital­ströme angetrieben. Man kann ­diese Kapitalbewegungen verfolgen und ­sehen, wie diese die Boom-Bust-­Zyklen rund um den Globus verursachen.

Smart Investor: Seit mehr als zwei Jahren hält uns das Thema Corona in seinem Bann. War dieser Einschnitt, oder ein einschneidendes Ereignis wie dieses, in Ihrem Zyklusmodell ablesbar?
Armstrong: Ja, ich habe auf unserer ­eigenen World Economic Conference davor gewarnt, dass der Markt abstürzen würde, wenn unser Modell im Januar 2020 (= Jahr 2020,05) umschlägt. Wir waren sogar in der Lage, den genauen Tag für den Tief­punkt im März des Jahres 2020 zu be­nennen. Hätte ein solches Ereignis wie Corona während eines Aufwärtstrends stattgefunden, wäre es weitgehend ignoriert worden. Aber wenn so etwas passiert, während das Modell nach unten gedreht hat, dann ist die Stimmung von vornherein bearish. Wir ha­ben auch da­vor gewarnt, dass es von ­Januar 2020 bis 2024 einen auf Knappheit basierenden Rohstoffzyklus geben würde.

Smart Investor: Große Pandemien treten nach unserer Wahrnehmung mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. ­Haben Sie über eine Art Seuchenzyklus nach­gedacht und darüber, wie er sich fortsetzen könnte?
Armstrong: Solche Epidemien hat es immer gegeben – aber noch nie in der ­Geschichte haben die Regierungen so wahnsinnig ­darauf reagiert. Die Abriegelung der gesam­ten Welt hat Arbeitsplätze gekostet und zu Engpässen in den Lieferketten geführt, die noch mehrere Jahre andauern werden. Es war eine absurde Reaktion, die sich als falsch erwiesen und noch viel mehr Schaden angerichtet hat.. Die meisten Men­schen kennen jemanden, der an COVID erkrankt war, aber nicht daran gestorben ist. Diejenigen, die starben, wären wohl an jeder Art von Atemwegserkrankung gestor­ben, wie sie auch im Rahmen des jähr­lichen Grippezyklus auftreten. Es ­handelte sich nicht um eine gefährliche Seuche, an der 30% bis 50% der Bevölkerung sterben, wie bei den Pocken oder der Schwarzen Pest im 14. Jahrhundert.

Smart Investor: Jetzt ist mit dem ­heißen Krieg in der Ukraine ein neues dominantes Ereignis ausgelöst worden. Wie passt dieser Krieg in Ihr Modell, ins­besondere in den Kriegszyklus?
Armstrong: Auch das kam genau zum „richtigen“ Zeitpunkt. Unser Modell zeigte den 16.1.2022 an. Leider hat der Westen ­Putin dämonisiert, anstatt zu versuchen, Frieden in der Welt zu schaffen. Die Behauptung, Putin wolle die alte Sowjetunion wiederherstellen, war reine Propaganda. In den vergangenen 22 Jahren hat er nicht versucht, den Kommunismus wiederherzustellen, und hat selbst Lenin nur als einen Kommunisten bezeichnet. Er hat nicht ­versucht, die Grenzen zu erweitern, sondern hat vor dem Vordringen der NATO gewarnt. Im Krieg verbreiten beide Seiten Propaganda, und es ist immer wichtig, die Behauptungen beider Seiten objektiv zu betrachten. Der Einmarsch Putins in die Ukraine stand im Einklang mit seinen Warnungen und erfolgte vier Tage, nachdem US-Vizepräsi­dentin Harris der Ukraine den Beitritt zur NATO empfohlen hatte. Das war völlig unverantwortlich.

Smart Investor: Können Sie in Ihren Modellen erkennen, welche Regionen oder Länder in diesem Konflikt am ­meisten leiden werden, wer glimpflich davonkommen wird und wer die Nutznießer sein werden?
Armstrong: Es gibt auf beiden Seiten das, was wir Neocons nennen, also Leute, welche die andere Seite einfach hassen. Sie können nachts nicht schlafen, solange ihr Feind existiert. Leider rufen die sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten wieder ins Gedächtnis, dass Krieg in der Vergangenheit oft als Ablenkungs­manöver diente. Es sieht so aus, als ­würde sich China mit Russland verbünden. Ich glaube, dass die Konfiszierung von russischem Privatvermögen eine schwerwie­gende Verletzung des Völkerrechts war. Auch andere werden erkennen, dass ihr Vermögen konfisziert werden könnte, wenn ihr Land in einen Streit mit dem Westen gerät. Dies würde natürlich zu einem Rückgang der weltweiten Investitionen führen. Genau dieser Prozess scheint in Gang ­gesetzt worden zu sein und wird sich nach unseren Modellen in den nächsten zehn Jahren noch erheblich verschlimmern. Die Streitigkeiten zwischen Ländern werden wohl auf diesem Niveau bleiben. Die Verhaf­tung von Privatpersonen, nur weil sie Russen sind, erinnert an die ­Internierungslager für Japaner in den USA während des Zweiten Weltkriegs ausschließlich aufgrund ­ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Für die Weltwirtschaft ist es sehr nachteilig, wenn freie Investitionen behindert werden.

Bild: © Angelov – stock.adobe.com

Smart Investor: Wenn wir es richtig verste­hen, entwickeln sich die Zyklen weitgehend unabhängig von den konkre­ten Handlungen einzelner Personen. Es ist zwar schwer vorstellbar, aber wäre eine Eskalation auch dann unvermeidbar gewesen, wenn der russische Präsident nicht den Befehl zum Einmarsch gegeben hätte?
Armstrong: Das ist richtig. Putin zu dämoni­sieren ist absurd. Es gab in der ­Geschichte weitaus schlimmere Anführer, etwa Hitler oder Stalin, die Millionen von Menschen umbringen konnten, ohne zweimal ­darüber nachzudenken. Die Entwicklung der ­Dinge wird in erster Linie von der Wirtschaft bestimmt. Normalerweise beißt man nicht die Hand, die einen füttert. Aber die Verhängung von Sanktionen gegen Russland hat genau den gegenteiligen Effekt: Sie iso­lie­ren Russland und kappen die wirtschaftliche Verbindung, was zu Verlusten führt und wiederum Wut und Vergeltung hervorruft. Rom überlebte 1.000 Jahre, weil die eroberten Provinzen vom Verkauf ihrer Produkte an Rom profitierten. Die Beschlagnahme der russischen Währungsreserven ist vor allem eine Warnung an China, im Umgang mit dem Westen sehr vorsichtig zu sein. Der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System bedeutet für China nur, dass es mit Hochdruck an der Einführung seiner CIPS-Variante arbei­tet. Saudi-Arabien hat gerade zugestimmt, Öl gegen Yuan zu verkaufen. Diese Maßnahmen garantieren nur, dass sich die Konflikte weiter verschärfen und die Welt­wirtschaft in zwei Hälften geteilt wird.

Smart Investor: Als Anleger versuchen wir, uns auf starke Zyklen wie diesen ein­zustellen. Welche Anlageklassen oder Sektoren sollte man in dieser Situation meiden, und wo kann man Sicherheit erwarten?
Armstrong: Zu vermeiden sind ganz be­sonders Staatsanleihen. Die Regierungen werden in Verzug geraten und man wird nichts zurückbekommen. Die Anleihen der europäischen Regierungen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind ­heute nur noch ein attraktiver Wandschmuck. Wenn ein Unternehmen pleitegeht, werden seine Vermögenswerte verkauft und man erhält wenigstens etwas zurück. Bei der Regierung kann man aber nicht einfach ins Kunstmuseum rennen und Picassos stehlen. In Zeiten von Kriegen und geopolitischen Konflikten sind Sach­werte die beste Sicherheit.

Smart Investor: Gold gilt als der sichere Hafen, auch Bitcoin wird mancherorts so wahrgenommen. Allerdings sind diese beiden Vermögenswerte unseren Regierungen auch eher ein Dorn im ­Auge. Was halten Sie von dem Gedanken, dass Investoren hier mit dem Russlandargument künftig das Leben schwer gemacht werden könnte?
Armstrong: Gold hat seine Mobilität verloren – man kann also nicht in ein Flugzeug steigen und mit einer Aktentasche voller Goldmünzen oder -barren irgendwohin fliegen. Kryptowährungen sind verwund­bar, denn ohne ein Stromnetz ist es mit den Kreditkarten vorbei. Die Regie­rung versucht, auf digitale Wäh­rungen umzusteigen, und sie wird keinen Wettbewerb zulassen, sodass sie Krypto­währungen beschlagnahmen wird. Das Beste ist Papiergeld oder Silbermünzen mit kleinem Nennwert, die für den Durchschnittsbürger erkennbar sind. Auch Konservendosen werden einen Tauschwert ­haben, falls es kein Stromnetz gibt.

Smart Investor: Gold und Kryptowährungen sind auch die wichtigsten Alternativen zum Papiergeld, auf das der Krieg zusätzlichen Druck ausübt. Werden der US-Dollar und der Euro das überleben?
Armstrong: Der US-Dollar wird den Euro überdauern, aber wenn wir in einen echten Weltkrieg geraten, könnten auch die Papierdollar ihren Wert verlieren. Europa hat in der Vergangenheit sein Papiergeld immer wieder annulliert, während der
US-Dollar nie annulliert wurde. Selbst Kanada annulliert jetzt seine Währung.

Smart Investor: Das Thema „Great ­Reset“, das Weltwirtschaftsforum und Prof. Dr. Klaus Schwab schlagen in ­Europa hohe Wellen. Bei der Corona-Pandemie haben die staatlichen Maßnahmen die mittelständische Wirtschaft regelrecht demontiert. Was halten Sie von dem „Großen Plan“ der Konzerne, und sind die Ideen der Akteure mit den Zyklen vereinbar?
Armstrong: Der Great Reset ist tatsächlich ein reales Ziel. Es handelt sich nicht um eine Verschwörungstheorie. Die drei Stolper­steine auf dem Weg waren Trump, Putin und Xi. Den ersten haben sie beseitigt, und jetzt hat sich die Propaganda darauf verlegt, Putin und Xi zu dämonisieren. Sie glauben, wenn sie diese beiden Führer loswerden, können sie die Welt unter den Verein­ten Nationen vereinigen. Unsere Modelle haben davor gewarnt, dass in ­dieser letzten Zehnjahresperiode der Auto­ritarismus aufsteigen wird. Aber sie werden scheitern. Marx hatte nur deshalb ­Erfolg, weil die Leibeigenschaft in Russland erst 1861 endete, während sie in ­Europa nur bis ins 14. Jahrhundert ­reichte. Die Menschen besaßen also nichts, und es war ein Leichtes, den Reichtum der Aristo­kraten zu konfiszieren. Heute besitzen die Menschen ihre eigenen Häuser, Autos und sparen für die Zukunft. Der vom WEF propagierte Slogan „Du wirst nichts besitzen und glücklich sein“ ist ein Ablenkungsmanöver. Die Regierungen können nicht mehr endlos Kredite aufnehmen, und es wird einen Zahlungsausfall geben. Um diese Tatsache zu verschleiern, wird der Eindruck erweckt, als würden alle Schulden erlassen, und man tue dies für Sie. Das garantierte Grundeinkommen wird dazu da sein, die Pensionsfonds zu ersetzen, die heute Staatsschulden halten.

Smart Investor: Vielen Dank für Ihre sehr interessanten Ausführungen.

In Börsenkreisen gilt der US-Amerikaner Martin Armstrong (Jahrgang 1949) als Legende. Bereits Anfang der 1980er-­Jahre prognostizierte er zutreffend den Börsencrash des Jahres 1987 – und sah inmitten der Panik neue Höchstkurse für das Jahr 1989 voraus. Auch das Platzen der japanischen Aktienblase Ende 1989 sagte er voraus. Seine Prognosen erstellte er mit dem von ihm selbst entwickelten „Economic Confidence Model“ (ECM), dessen Basis eine Datenbank zur Münzgeschichte ist, anhand derer Armstrong die (Finanz-)Geschichte rekonstruierte. Seine tagesaktuellen Einschätzungen finden Sie auf dem Blog https://armstrongeconomics.com.

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