„Wir segeln auf der offenen Nordsee“

Dirk Stöwer

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Dirk Stöwer, KSAM GmbH,
über die Folgen einer Zinswende für die Aktienmärkte und
Wettbewerbsvorteile in Skandinavien

Smart Investor: Die Aktienmärkte laufen holprig, neben der Ukrainekrise ­bereitet die Inflation Anlegern Sorge. Welchen Einfluss hat eine mögliche Zinswende in den USA und später im Euroraum auf die Entwicklung der Aktienmärkte?
Stöwer: Es gab diese Situation bereits 2018, als man vonseiten der Zentralbanken versuchte, den Liquiditätsreigen zu beenden. Der Aktienmarkt brach ein und man verfiel schnell wieder in den „Wir-müssen-die-Welt-retten-Gelddruckmodus“. Die Gefahren sind aufgrund der hohen Inflation derzeit höher als 2018; wir segeln derzeit somit nicht mehr auf der ­Binnenalster, sondern auf der offenen Nordsee gegen Wind und Strömung. Aus diesem Grund dürfte auch der eine oder andere ­Highflyer, besonders aus dem Segment „Innovation“, weiter schwächeln. Wir haben in unseren Portfolios daher zwei Gänge zurückgeschal­tet und einige Segel eingeholt. Allerdings kommen aber auch viele überragende Unternehmen wieder in den kaufenswerten Bereich. Hier werden wir bei Schwäche zugreifen.

Smart Investor: Welche Rolle spielen Dividenden bei der Aktienauswahl für den NESTOR Europa?
Stöwer: Wir mögen Unternehmen, die ­ihre besten Jahre noch vor sich haben und ­hohe Kapitalrenditen erwirtschaften. In diesem Fall ist die Dividende im Unternehmen wesentlich besser aufgehoben. Wird aber für Wachstum kaum Kapital benötigt, wie z.B. bei der ÖKOWORLD AG, freuen wir uns über höhere Ausschüttungen. Eine ­hohe Ausschüttungsquote wirkt sich zudem sehr positiv auf den rechnerischen Unternehmens­wert aus. Bei ansonsten gleichen Kennziffern könnte die Dividendenrendite durchaus den Ausschlag geben. Wir sehen die Dividendenrendite aber immer im Gesamtkontext des Investment Case; maßgebliche Faktoren sind andere.

Smart Investor: Wie würden Sie die wichtigsten Kriterien Ihres Investment- und Stock-Picking-Prozesses umreißen?
Stöwer: Die dominierenden „Schulnoten“ sind bei uns die Umsatz- und Gesamt­kapitalrenditen im Branchenvergleich, wobei hier im Gegensatz zur Schule je höher, desto besser gilt. Diese Größen haben sich besonders in Kombination mit Wachstum bewährt. Es ist wichtig, zu verstehen, warum die Renditeparameter überragend sind und vor allem, wie beständig die erforderlichen Wettbewerbsvorteile sind. Hier kommen dann zahlreiche „weiche Faktoren“ ins Spiel, für die es Erfahrung und Urteilskraft bedarf. Wir brauchen eine Vorstellung, wo ein Un­ternehmen in fünf oder zehn Jahren steht. „Billig“ ist dagegen kein schlagkräftiges Ar­gument, zumal es ohnehin ein Qualitäts- und kein Preismerkmal ist. Letztendlich liegt im relativ abstrakten Residualwert eines Unternehmens viel Wahrheit verborgen. Das ist auch der Punkt, an dem vermeintliche Value-Investoren oft scheitern: Der Residualwert hat nämlich nichts mit „dreams and hopes“ zu tun, sondern ist der Kern eines jeden Unternehmenswerts.

Smart Investor: Im vergangenen Jahr hat der Nestor Europa ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt. Was ­waren die Performancetreiber?
Stöwer: Da wir außergewöhnlich flexibel reagieren können und über ein immenses Anlageuniversum verfügen, hatten wir nach Abklingen der Corona-Hysterie etliche Chancen entdeckt, die wir entsprechend be­rücksichtigt haben. Den höchsten Sektorenbeitrag lieferten die Bauzulieferer, der Logistikbereich, Sport-, Luxus- und Outdoorartikel, Wohnmobile und der IT-Sektor. Eine Sonderbewegung vollzog sich bei der Ökoworld AG, bei welcher der Markt die Megachance ESG lange Zeit übersah.

Smart Investor: Können Sie ein Beispiel aus dem Portfolio nennen, bei dem die Investmenterwartungen besonders gut erfüllt wurden, und eines, bei dem es weniger funktioniert hat?
Stöwer: Eine wunderbare Entwicklung hat das italienische Modeunternehmen Moncler in den letzten Jahren vollzogen, ein Paradebeispiel für überragende Renditeparameter. Kollegen wollten mir diesen Titel als „One-Trick-Pony“ ausreden, ich bin aber standhaft geblieben und es hat sich gelohnt. Das Vertrauen in die ­überragende Markenführung des Managements hat sich dabei ausgezahlt. Der griechische Discounter JUMBO passt gut in unser Anlage­schema; von attraktiven Dividenden abge­sehen hat der Titel sich bislang aber kaum vom Fleck gerührt. Dabei läuft die Expansion nach Osteuropa durchaus nach Plan. Leider führten die Corona-Maßnahmen auch in Griechenland zu deutlichen Umsatzeinbußen. Wir warten auf eine Normalisierung der Lage und räumen dem ­Titel weiterhin gute Chancen ein.

Smart Investor: Der Fonds ist überdurchschnittlich stark in skandinavischen Ländern investiert. Was ist der Grund?
Stöwer: Derzeit finden wir dort einfach erheb­lich mehr gute Ideen als in anderen Regionen, zudem bestehen enorme Wettbewerbsvorteile, wie z.B. gute Ausbildung, hoher Digitalisierungsgrad oder leistungsstarke Mobilfunknetze. Unser Deutschlandanteil hat sich in den letzten Jahren zugunsten der Nordics nahezu halbiert. Exemplarisch kann ich die gelungenen Infra­strukturprojekte in Skandinavien anführen, wie z.B. die gigantischen Brücken in der Ostsee. Uns bereiten dagegen selbst die Brücken über den Rhein Kopfzerbrechen, neue Flughäfen werden gar nicht erst in Betrieb genommen. Die Corona-Problema­tik wurde weitaus besonnener und ­weniger totalitär und zerstörerisch als bei uns angegangen. Mit „Omikron“ wurden alle Maßnahmen folgerichtig zeitnah beendet.

Smart Investor: Herr Stöwer, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Dirk Stöwer ist Geschäftsführer der Kontor Stöwer Asset Management GmbH und Fondsmanager des NESTOR Europa (WKN: A2ALWN). Der Fonds gehörte 2021 mit einer Wertentwicklung von +36,1% zu den besten in Deutschland. Zudem zeichnet Stöwer für den KSAM Einkommen Aktiv Fonds (WKN: A113US) sowie den KSAM-Value² Fonds (WKN: A2QAX5) verantwortlich und betreut in der Vermögensverwaltung bundesweit vermö­gende Privatkunden.

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