Warum die Kurse fallen – und wo sie noch steigen
Verbrauchervertrauen sinktUS-Präsident Donald Trump beherrscht die Schlagzeilen. An einem Tag droht er mit Zöllen. Am nächsten Tag knickt er ein und gewährt weitreichende Ausnahmen, um tags darauf aufzustehen und … ja, was eigentlich?! Nur Zöllner und Newsjunkies mögen das noch wissen. Für Aktienanleger ist jetzt wichtiger, aber aufgrund von Trumps Schlagzeilen-Abo aus den Nachrichten verdrängt: Das Verbrauchervertrauen in den USA fällt.
Das geht aus den Umfragedaten der Universität Michigan hervor, die von Ökonomen und Börsianern traditionell stark beachtet werden. Demnach ist die Verbraucherstimmung auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Gleichzeitig sind die Inflationserwartungen der privaten Haushalte auf einem Höchstwert seit Anfang der 1980er Jahre.
Die US-Verbraucher scheinen ihre Lage zutreffend einzuschätzen. Der Empire State Index, vorgelegt zur Wochenmitte, bildet die Stimmung im Gewerbe des Großraums New York ab: „Was die Aussichten betrifft, sind Unternehmen zum ersten Mal seit 2022 pessimistisch.“ Führende Ökonomen, gerade erst vom renommierten Wall Street Journal befragt, kalkulieren mit einem Abschmelzen des bisher erwarteten US-Wirtschaftswachstums um satte 1,2 Prozentpunkte und einer Erhöhung der bisherigen Inflationserwartung um 1,1 Prozentpunkte. Es sind diese Veränderungen der bisherigen Prognosen, auf welche die Börse reagiert. Ein geringeres Wirtschaftswachstum, dafür eine höhere Inflation und wachsende Zurückhaltung der Verbraucher, das klingt nach dem perfekten Sturm.
Zumal die Fed und ihr Chef Jerome Powell kaum mit konjunkturbelebenden Zinssenkungen zur Hilfe eilen können. Die Staatsschulden sind bereits drückend hoch, die Inflationsgefahr ist eben nicht gebannt und der Goldpreis in US-Dollar eilt von Rekord zu Rekord. Das Kapital flieht aus der papierenen Weltreservewährung ins greifbare Metall.
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Die Baisse an den Börsen hat Folgen. Selbst die Reichen halten das Geld zusammen und lassen die goldene Kreditkarte häufiger im Hermès-Täschchen stecken, statt damit das Kassenterminal einer Boutique zum Piepsen zu bringen. Der Luxusgüterhersteller LVMH (WKN: 853292) veröffentlichte für das erste Quartal schlechte Zahlen. Der Kurs sackte daraufhin am Dienstag um 7% ab, erholt sich heute bislang nicht. Auch der Aktienkurs von Konkurrent Kering (WKN: 851223) gab nach.
Die schwindende Luxusnachfrage erwischt Anleger auf dem falschen Fuß. Sie erwarteten bei LVMH im Konsens ein Umsatzplus von gut 1% im Quartal, stattdessen geliefert wurden -3%. Alle Geschäftsbereiche schwächeln: Spirituosen, Mode, Uhren, Kosmetik. Sogar US-Hersteller von Hochpreismode und Kosmetika werden sich auf Widrigkeiten einstellen. Als Reaktion auf die US-Zollpolitik veröffentlichen Blogger aus Asien derzeit, welche US-Firmen bei ihnen zu ganz kleinen Preisen produzieren lassen, um anschließend in den USA und weltweit mit Luxusaufschlag zu verkaufen. Gezeigt werden Produkte und Fabriken. Genannt werden illustre Firmennamen und Herstellungspreise. Gut möglich, dass sich die westliche Luxus-Klientel angesichts dieser Botschaften noch verschnupfter zeigt.
Man sollte den Mächtigen glauben, was sie sagen. Donald Trump wies deutlich darauf hin, er werde hohe Zölle einführen. Die Wall Street glaubte ihm nicht. Bis zum „Liberation Day“ am 2. April 2025, als er im Rosengarten des Weißen Hauses den Zollhammer niedersausen ließ und die Kurse crashte. Er sagte auch, er wolle den Dollarkurs drücken, um Industriearbeitsplätze in den USA rentabler zu machen. Die Wall Street … will es noch nicht glauben bzw. hofft, Notenbankchef Jerome Powell würde das Schlimmste verhindern. Aber der steht unter Druck (s.o.). Im Januar 2028 endet zudem seine Amtszeit.
Anleger, zumal wenn sie in Europa zu Hause sind, dürften derzeit kontinentale Aktien übergewichten. Der Lippstädter Automobilzulieferer Hella (WKN: A13SX2) behauptet sich in schwierigem Marktumfeld. Die langfristige Kursperspektive sieht im Chart vielversprechend aus. Geschäftsführer Bernard Schäferbarthold kommentiert westfälisch zurückhaltend: „Der Start in das neue Jahr war solide und entspricht unseren Erwartungen.“ Die Notierung des Essener Energiekonzerns E.ON (WKN: ENAG99) klettert seit Jahresanfang steil. Hier dürften Anleger darauf spekulieren, dass die wahrscheinliche künftige CDU/SPD-Regierung den Teil der Koalitionsvereinbarung umsetzt, der sich mit Energiepolitik befasst. E.ON wäre richtig aufgestellt und hält für die Anleger noch ein weiteres Zuckerl parat (s.u.).
Mehr als ein ZollstreitVordergründig war Auslöser der jüngsten Börsenturbulenzen der von US-Präsident Donald Trump am 2. April ausgerufene „Liberation Day“, was man als „Tag der Befreiung“ übersetzen könnte. Die teils drakonischen Strafzölle, die in der Zwischenzeit für 90 Tage ausgesetzt wurden, sind auf den ersten Blick das glatte Gegenteil von „Befreiung“. Dennoch scheint dahinter mehr zu stecken als der typische Orwellsche Politikersprech, der den Menschen beispielsweise routiniert Rekordschulden als Sondervermögen verkauft. Denn die USA sind eigentlich (!) eine der großen Freihandelsnationen und von daher eher an einer allgemeinen (!) Senkung der Zölle interessiert. Die ganze Aktion hatte starke Elemente eines „Tit for tat“ – haust Du meine Tante, haue ich Deine Tante – und es ist kaum zu bestreiten, dass im Welthandel, besonders von China, mit harten, wenn nicht unfairen Bandagen gekämpft wird. Allerdings ist auch nicht zu bestreiten, dass die USA, wie der Westen insgesamt, an Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben, wenn sie nicht sogar bewusst von den eigenen politischen Eliten geschwächt wurden.
Daraus ist eine Situation entstanden, die brandgefährlich ist und weit über das Zollthema hinausgeht. Hier spielt nicht nur die bereits exorbitante Verschuldung des Westens eine Rolle. Während die USA mit dem Department of Government Efficiency oder ein Land wie Argentinien unter Präsident Javier Milei versuchen gegenzusteuern, dreht die voraussichtliche neue schwarz-rote Bundesregierung die Schuldenspirale munter weiter. Als Vorwand dient die Geopolitik, ernsthafte Einsparungen an anderer Stelle kommen im Wortschatz der neuen Koalitionäre nicht vor. Dani Stüssi, CEO der RealUnit Schweiz AG, nimmt im Smart Investor exklusiv eine Einordnung der Situation vor und zeigt jene große Perspektive, die von vielen derzeit noch gar nicht erkannt zu werden scheint. Den Beitrag finden diesmal auch Nicht-Abonnenten auf unserer Website smartinvestor.de ohne vorherigen Log-In.
Nach dem dramatischen Einbruch der Vorwoche konnten sich jene Marktteilnehmer, die ihre Aktien nicht in Panik abgestoßen hatten, über eine deutliche Erholung in den Indizes freuen. Allerdings scheinen sich die Gewichte langsam zu verschieben, wie auch die Kursentwicklung unseres heutigen Dividendentitels E.ON (s.u.) andeutet.
Unklar ist weiter, ob wir es bei dem Zurückschnalzen mit einer Bärenmarktrally oder mit einer V-Umkehr zu tun haben. Bislang deuten vor allem zwei Indizien auf eine Bärenmarktrally. Der schnelle Kurswechsel mit frühen, sehr hohen Kursgewinnen und das rasche Nachlassen des Aufwärtsmomentums. Extrem starke Einzeltage finden sich vor allem innerhalb von Börsenbaissen, ja, sind geradezu charakteristisch für solche Baissen. Zudem dürften die starken politischen Impulse der jüngeren Vergangenheit die Anleger nachhaltig verunsichern. Börsianer wünschen sich keine One-Man-Show, sondern stabile Rahmenbedingungen, in denen gute Unternehmen gedeihen können. Sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass wir es tatsächlich nur mit einer Bärenmarktrally zu tun haben, dürfte bei weiter nachlassendem Momentum auch die Abgabebereitschaft wieder ansteigen.
Während die meisten deutschen Titel in den letzten Wochen unter den Auswirkungen der Trumpschen Zollpolitik stark gelitten haben, blieb die Aktie von E.ON (WKN: ENAG99) bemerkenswert stabil. Der Energiekonzern zeigte sich resistent gegenüber den heftigen Kursausschlägen, die das Hin und Her zwischen reziproken Zöllen, Gegenmaßnahmen und einer temporären Pausierung der Maßnahmen an den Märkten auslöste. Ein Beleg für die defensive Qualität des Versorgertitels, der seine positive Entwicklung seit Jahresbeginn konsequent fortsetzen konnte. Insbesondere in der Energietransformation nimmt E.ON hierzulande eine Schlüsselrolle ein: Der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge an mittelständischen Tankstellen in ganz Deutschland ist nur eines von vielen Beispielen.
Im vergangenen Geschäftsjahr erreichten die Essener ein bereinigtes Konzern-EBITDA von 9,0 Mrd. EUR sowie einen bereinigten Überschuss von 2,9 Mrd. EUR. Parallel dazu wurden die Investitionen deutlich erhöht: Mit 7,5 Mrd. EUR, rund 1 Mrd. EUR mehr als im Vorjahr, investiert E.ON vor allem in den Ausbau seiner Netzinfrastruktur sowie in die Digitalisierung – zwei entscheidende Zukunftsfelder für die Energiewende. Damit hat das Unternehmen nun sichtbar Tritt gefasst, nachdem das frühere Witwen- und Waisenpapier von der Merkelschen Energiewende seinerzeit noch kalt erwischt worden war. Mittlerweile scheinen sich die heimischen Versorger nach der holprigen Übergangsphase auf diese Energiewende gut eingestellt zu haben und generieren durch angepasste Konzepte sowie Prozesse wieder stabile Free Cashflows. Folgerichtig will das E.ON-Management die Dividende zum achten Mal in Folge erhöhen, auf 0,55 EUR pro Aktie. Dies entspricht bei einem Kurs von 15,00 EUR einer Dividendenrendite von knapp 3,7%. Wer am 20. Mai 2025 in den Genuss der einjährigen Gewinnausschüttung kommen möchte, sollte sich die Aktie bis zum Ex-Datum 16. Mai 2025 ins Depot legen.
Musterdepots & wikifolio
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Fazit
Trotz der scharfen Kurserholung während der letzten Woche bleibt die Lage an den Aktienmärkten angespannt. Die erheblichen Risiken sind nicht zu übersehen.
Ralf Flierl, Frank Sauerland, Ralph Malisch
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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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