Neue Indikatoren geben Antworten
DiamantenleuchtenDonalds Trumps sprunghafte Zollpolitik verwirrt Handel und Börsianer. Reißt der Regierungsstil des 47. US-Präsidenten die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession, womöglich gar Stagflation, oder hat die Börse in New York die tiefsten Notierungen des Jahres bereits gesehen und es geht nun aufwärts? Selbst Fed-Chef Jerome Powell gibt zu: „Die Unsicherheit auf die Konjunkturaussichten ist groß.“ Wundern braucht es da nicht, dass angesichts der wirren Lage professionelle Anleger und Analysten neue, durchaus ungewöhnliche Indikatoren suchen, welche anzeigen sollen, wie Wirtschaft und Börse sich in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln.
Geschaut wird dabei von den Experten u.a. auf Diamantenverkäufe. Auch Autokredite sowie Restaurantausgaben spielen eine Rolle. Jay Woods, Globalstratege bei Freedom Capital Markets gegenüber dem WSJ: „Jede kleine Zahl wird unter die Lupe genommen.“ Insbesondere die Diamantenverkäufe werden als Indikator entdeckt. So interpretieren Analysten der Citi Bank den Kursanstieg beim Diamantschmuckgiganten Signet (WKN: A0Q9SE) als Zeichen dafür, dass Verbraucher optimistisch gestimmt bleiben und die Wirtschaft weiter mit Käufen unterstützen.
Die Bespoke Investment Group studiert die Credit Access Survey der New Yorker Fed und hofft, aus Statistiken über Autokreditanträge Signale filtern zu können, die Hinweise geben auf den weiteren Konjunktur- und Börsenverlauf. Mit ähnlichem Ziel versuchen Analysten, Zahlen zu Restaurantausgaben auszuwerten. Die Qualität der Datengrundlage mag manchmal durchaus zweifelhaft sein, sagt Bespoke-Stratege George Pearks. Dafür aber seien solche Daten aktueller als offizielle Statistiken der Behörden.
Schnelligkeit zählt an der Börse. Bei einer marktbreiten Kurswende werden die größten Gewinne (oder Verluste) erfahrungsgemäß in den ersten Tagen gemacht. Hiesige Anleger, die keinen Zugriff auf Zahlenreihen zu Autokreditdaten und Restaurantausgaben haben, können sich von anderen, schnellen Indikatoren inspirieren lassen: den tagesaktuellen Kursen von Mastercard (WKN: A0F602) und American Express (WKN: A0Q9SE). Die Zahlungsdienstleister wickeln einen Großteil der Konsumkäufe ab, ihre Kurse dürften so recht unmittelbarer Spiegel der Verbraucherstimmung sein.
Die Rüstungswerte Rheinmetall (WKN: 703000), Leonardo (WKN: A0ETQX) und BAE Systems (WKN: 866131) kennen viele, die sich für Börse interessieren. Cicor (WKN: 913744) aus der Schweiz dagegen ist fast unbekannt. Risikoaffine Investoren mit Bewusstsein für relativ marktenge Titel könnten hier eine Chance sehen. Die Cicor Gruppe ist überaus erfolgreich tätig in den Bereichen Medizin- und Gebäudetechnik, ist anerkannter Spezialist für Werkzeugdesign und gedruckte Elektronik. Die aktuelle Kursphantasie dürfte aber vor allem getrieben sein durch Cicors Division Aerospace & Defence. Bei Cicors Rüstungssparte sieht angesichts der Weltlage nicht nur Bernd Laux, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, verbesserte Wachstumsaussichten. Im laufenden Jahr dürfte rund ein Drittel des Umsatzes allein in diesem Bereich erzielt werden.
Auch wenn die Aktie in den letzten Wochen stark gestiegen ist, kann das KGV mit 15 weiterhin moderat genannt werden und liegt unter dem langjährigen Durchschnitt. Trotz Zukäufen (TT Electronics) im Jahr 2024 bleibt die Nettoverschuldung stabil bei 44 Mio. Franken.
Für Anleger und den Wirtschaftsstandort Deutschland ist der Fall des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer (WKN: BAY001) ein Trauerspiel – und ein Lehrstück zugleich: Eine Fehlentscheidung, nämlich die Übernahme von Monsanto, brachte den Traditionskonzern ins Straucheln. Die Aktionäre verloren viel Geld, sofern sie nicht rechtzeitig die Zeichen erkannten, die sich nach der vermaledeiten Übernahme des amerikanischen Glyphosatherstellers (Juni 2018) im abwärts gerichteten Chart der Leverkusener überdeutlich zeigten. Millionen- und Milliardenklagen in den USA erschüttern Bayer seit dem Monsanto-Kauf, es geht um Krebsverdacht und den Unkrautvernichter ROUNDUP. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine mit der Sache vertraute Person: „Bayer könnte irgendwann an den Punkt kommen, an dem das Unternehmen gezwungen ist, den Verkauf des Produkts in den USA einzustellen.“
Bayer-CEO Bill Anderson sollte nach der glücklosen Zeit unter Werner Baumann die Wende bringen. Von der ist aber auch gut eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt auf der Kurstafel wenig zu sehen. Die Probleme scheinen übermächtig zu sein. Als Aktionär muss man einen solchen Weg nicht mitgehen. Sollte die Wende doch noch gelingen, wird genügend Zeit sein, um zu partizipieren. Smart Investor Weekly empfahl bereits im November 2023 den Verkauf der Bayer-Aktie. Überschrift damals: „Von der Chemie des Verfalls“ – Kursverlust seitdem: -40%.
Wie schon in der letzten Ausgabe vermutet, ist der DAX an seinem Allzeithoch vom 6.3. erst einmal gescheitert. Zwar wurde am 18.3. im Verlauf ein minimal höherer Zählerstand erreicht, der Schlusskurs lag jedoch schon wieder tiefer. Seitdem handelt der DAX unter rückläufigen Umsätzen in einer Spanne von ca. 22.700 bis 23.500 Punkten. In einem idealtypischen Doppeltopp-Szenario sollten die Kurse zügig in Richtung der Nackenlinie bei 22.260 Punkten abtauchen, dort kurz verschnaufen, um dann endgültig durchzubrechen und so die Formation zu vollenden. All dies ist bislang nicht passiert, was trotz des Abprallers auf eine noch immer vorhandene Stärke schließen lässt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die technische Situation derzeit zu schwach ist, um auf neue Allzeithochs durchzustarten, aber zu stark, um ein Doppeltopp vollständig auszubilden. Entscheidend dürfte der nächste große externe Impuls für den Markt werden, der durchaus erneut aus der Politik kommen könnte.
Deutsche Dividendentitel: heute Deutsche TelekomLange Jahre galt die Deutsche Telekom (WKN: 555750) als eine der langweiligsten Aktien im DAX. Der Kurs dümpelte um die Marke von 15 EUR. Nachdem das Papier Anfang 2023 nach oben ausbrach und Mitte das Jahres kurz Luft holte, zieht es seit einem Jahr steil nach oben. Vom Vorjahrestief wurde die Aktie bis Anfang März um knapp 70% auf ein Jahreshoch von 35,78 EUR katapultiert. Die Erfolgsgeschichte kommt nicht von ungefähr. Der Konzern hat in der jüngeren Vergangenheit sehr viel richtig gemacht und fährt dafür nun die Früchte ein. In der Rangliste der wertvollsten Marken belegen die Bonner als bestes deutsches Unternehmen den elften Platz.
Großen Anteil an der Triumphgeschichte hat das Tochterunternehmen T-Mobile USA, welches das einstige Mauerblümchen zum globalen Branchenprimus machte. Einziger Wehrmustropfen der laufenden Rally ist für Neukäufer die fallende Dividendenrendite. Aufgrund des gestiegenen Preises beträgt die Ausschüttungsquote „nur“ noch 2,34%. Allerdings fällt nicht direkt eine Abgeltungssteuer an, erst, wenn man die Aktien verkauft. Diese Besonderheit ist der Tatsache geschuldet, dass die Dividende der Telekom in vollem Umfang aus dem steuerlichen Einlagekonto im Sinn des §27 des Körperschaftssteuergesetzes geleistet wird. Wer am 14. April 2025 in den Genuss der einjährigen Gewinnausschüttung kommen möchte, sollte sich die Aktie bis zum Ex-Datum 10. April 2025 ins Depot legen.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie diesmal unsere große Monatsübersicht inklusive der erfolgten Transaktionen, sowie ein Kurzupdate zum wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Wirtschaft und Märkte stehen am Scheideweg zwischen Stagflation und Boom. Was erst einmal gefragt bleibt, ist Rüstung, wobei zunehmend auch die kleineren Unternehmen entdeckt werden.
Ralf Flierl, Frank Sauerland, Ralph Malisch
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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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