ETFs sind nicht der heilige Gral

Stefan Riße

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Kolumne

Gastbeitrag von Stefan Riße, ACATIS Investment

ETFs sind auf dem Vormarsch. Seitdem die ersten börsengehandelten Fonds in den 1990er Jahren gelistet wurden, haben sie einen unglaublichen Zustrom erfahren. Mittlerweile sind 13 Bio. USD in ETFs investiert. Aktive Fonds hingegen verlieren in der Gesamtheit betrachtet Mittel.

ETF-Mythen
Um jedem Missverständnis vorzubeugen: ETFs als Instrument, sofern sie Indizes physisch replizieren, können ein effizienter und sicherer Weg für Anleger sein, in ganze Märkte oder Branchen zu investieren. Doch für manche Anleger ist die Wahl zwischen aktivem Management und ETF mittlerweile zu einer Glaubensfrage geworden. Dadurch sind Mythen und Fehlglauben entstanden, die in die Irre führen. Mir begegnen z.B. Sätze wie: „Ich lege mein Geld sicher an; ich investiere in den MSCI World ETF. Da bin ich breit gestreut und der bringt im Durchschnitt so 7% pro Jahr.“ Diese 7% könnten auch in Zukunft gelingen – allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass gerade diejenigen, die zuletzt meist über Neobroker in ETFs investiert haben, ein Gefühl dafür besitzen, wie es ist, wenn ihr Kapital zwischendrin auch einmal um über 30% sinkt; so geschehen zuletzt in der Corona-Krise.

Unerkannte Risiken
Und wie weit her ist es nun mit der breiten Risikostreuung? Das ist im in Deutschland so beliebten MSCI World ETF mittlerweile mitnichten der Fall. 72% sind in den USA investiert – das bedeutet auch ein Währungsrisiko von 72%. Sollte der US-Dollar um 10% abwerten, kann das für einen europäischen Anleger schmerzhafte Verluste bringen. Doch nicht nur der US-Anteil erscheint für ein ausgewogenes Portfolio zu groß. Von den zehn größten Aktien im MSCI World – allesamt US-Werte – sind neun Technologieaktien. Sie allein machen 22,5% des Gewichts aus – alles bekanntermaßen gute Unternehmen, die mittlerweile aber eben auch anspruchsvolle Bewertungen haben.

Aktiv vs. passiv
Das Hauptargument der ETF-Fans lautet: „Aktive Investmentfonds sind teurer, und die überwiegende Mehrheit schlägt den Index nicht.“ Auf den ersten Blick trifft das Argument zu, denn es stimmt, dass rund 80% der globalen aktiv gemanagten Fonds ihren Vergleichsindex in den letzten Jahren nicht geschlagen haben. Dabei darf man aber nicht ignorieren, dass viele aktive Fonds am Ende sogenannte Benchmark-Smoother sind, die sich aus Angst vor zu großer Abweichung doch sehr dicht am Index orientieren. Rechnet man diese heraus, wie es Greiff Capital in einer Studie jährlich tut, dann bleibt bei den globalen Aktienfonds immerhin ein Drittel der Manager über ihrem Vergleichsindex. Und in anderen Segmenten gibt es viele, bei denen die Mehrheit der wirklich aktiven Fondsmanager ihren Vergleichsindex schlägt. Laut der Studie sind es bei Aktienfonds in der Eurozone 61% und bei Chinafonds 60%. Noch deutlicher fällt das Ergebnis bei Anleihen aus: Hier erreichen in vielen Bereichen über 80% der aktiven Manager bessere Ergebnisse als der jeweilige Vergleichsindex.

Fazit
Per definitionem kann ein ETF seinen Index selbstverständlich auch nicht schlagen. Das Fazit fällt leicht: ETFs haben ihre Berechtigung – der heilige Gral sind sie aber nicht. Anleger sollten sich daher genau informieren, worin sie mittels ETFs investieren und ob nicht ein aktiv gemanagter Investmentfonds die bessere Wahl wäre.

Stefan Riße ist Kapitalmarktstratege bei ACATIS Investment. Seit seinem 16. Lebensjahr beschäftigt er sich intensiv mit den internationalen Finanzmärkten. Bekannt wurde Riße vor allem wegen seiner Berichte für „ntv“, die von 2001 bis 2005 live vom Frankfurter Börsenparkett gesendet wurden. Auch heute ist er dort wie auch für andere TV- und Radiosender regelmäßiger Interviewpartner. Er ist Kolumnist für BÖRSE ONLINE und onvista. Am 15.6.2021 ist sein Buch „Die Inflation kommt!“ erschienen.

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