Verbranntes Geld

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Österreichische Schule

Hersteller von Chips, Batterien und „grünem“ Stahl bekommen hohe Subventionen – Wirtschaftlichkeitsberechnungen scheinen ganz zu fehlen

Für die Bundesregierung kam die Meldung zur Unzeit: Nur fünf Tage vor der Landtagswahl in Brandenburg gab Intel bekannt, dass der Bau einer neuen Chipfabrik in Magdeburg für zwei Jahre auf Eis gelegt wird. Die Verschiebung ist schon deswegen frappierend, weil Berlin zugesagt hatte, das Projekt mit stolzen 9,9 Mrd. EUR zu fördern. Jeder der erhofften 3.000 Arbeitsplätze wäre mit 3,3 Mio. EUR subventioniert worden. Der Bürger und Steuerzahler fragt sich: Wenn selbst diese astronomische Summe nicht ausreicht, um ein solches Projekt Wirklichkeit werden zu lassen – wie muss es dann um den Standort Deutschland bestellt sein? Und was ist grundsätzlich von einer Wirtschaftspolitik, genauer: einer Industriepolitik zu halten, die mit derartigen Summen einzelnen Unternehmen bei der Verwirklichung ihrer Projekte hilft?

Ein Nutzen für die Allgemeinheit, der nie beziffert wurde
Begründet wird diese Politik damit, dass die geförderten Vorhaben einen technologischen, ökologischen oder geostrategischen Nutzen für die Allgemeinheit hätten, der über das hinausgeht, was damit am Markt erwirtschaftet werden kann. Allerdings scheinen genaue Berechnungen über die Größe dieses Zusatznutzens ganz zu fehlen; die Bundesregierung hat dergleichen jedenfalls nie vorgelegt. Und welche Wettbewerbsverzerrungen drohen aus solchen Beihilfen – für Firmen derselben Branche, aber auch für die übrige Volkswirtschaft, die diese Milliarden aufbringen muss? Kann eine solche Industriepolitik überhaupt effektiv sein? Ökonomen haben diese Fragen seit Langem untersucht und ihre Ergebnisse sind ziemlich eindeutig. Aber bevor darauf kurz eingegangen wird, seien zunächst einmal die Firmen benannt, die seit Kurzem in den Genuss solcher Beihilfen gekommen sind.

Im Halbleiterbereich hat die Bundesregierung dem taiwanesischen Hersteller TSMC für den Bau einer Chipfabrik in Dresden 5 Mrd. EUR zugesagt; das wäre die Hälfte der geplanten Investition. Erklärtes Ziel ist (wie im Falle Intel) die Stärkung der deutschen und europäischen Fähigkeiten in diesem Bereich und die Vermeidung einer strategischen Abhängigkeit. Allerdings will TSMC in Dresden gar keine High-End-Chips fertigen, wie sie etwa für KI-Anwendungen oder auch Smartphones benötigt werden, sondern „nur“ anspruchsvolle Chips etwa für die Automobilindustrie.

Der Staat zahlt 15 Mrd. EUR für Chips und 7 Mrd. EUR für „grünen“ Stahl
Die zweite hoch geförderte Branche ist die Stahlindustrie, deren hohe CO2-Emmissionen die Bundesregierung reduzieren will. Fast 7 Mrd. EUR wurden vier großen Anbietern zugesagt, um von der Verhüttung mit Koks umzusteigen auf die wasserstoffbasierte Direktreduktion, wie die Ingenieure das Verfahren nennen. Diese Technik vermeidet in der Tat CO2-Freisetzungen – die Kosten sind allerdings enorm und der Umfang der CO2-Vermeidung hängt sehr davon ab, wie der Wasserstoff gewonnen wird und wie man die notwendigen Vorarbeiten für Stromnetze und Wasserstoffinfrastruktur berücksichtigt. Die Bundesregierung rechnet hier sehr optimistisch. Dennoch oder gerade deswegen hat sie für „grünen Stahl“ thyssenkrupp 2 Mrd. EUR zugesagt, Saarstahl soll 2,6 Mrd. EUR erhalten, ArcelorMittal 1,27 Mrd. EUR und Salzgitter 1,0 Mrd. EUR.

Die dritte Branche sind die Batteriehersteller, denn Akkus sind entscheidend für die politisch gewollte Elektrifizierung des Straßenverkehrs. Die schwedische Northvolt AG hat insgesamt 902 Mio. EUR bekommen, um eine neue Fabrik in Schleswig-Holstein zu bauen und nicht in den USA. Dem Hersteller VARTA wurden 300 Mio. EUR zugesagt, wovon 137 Mio. EUR schon ausgereicht worden sind, um die Produktion in Deutschland zu halten. Diese Zusage bekam Varta bereits 2020, also noch von der Regierung Merkel.

Wenigstens die geförderten Firmen sollten profitieren
Bei der Frage nach der Wirksamkeit dieser Politik gibt es zwei Ansätze, den theoretischen und den praktisch-empirischen. Letzterer fragt einfach nach den Ergebnissen. Zu erwarten wäre, dass die begünstigen Unternehmen aufblühen, allerdings auf Kosten der Gesamtwirtschaft. Tatsächlich ist es so, dass diese Politik noch nicht einmal den geförderten Firmen selbst zu nützen scheint. Jedenfalls kommen gerade von ihnen seit einigen Monaten lauter schlechte Nachrichten – die eingangs erwähnten Probleme bei Intel sind dafür nur ein Beispiel. Auch bei thyssenkrupp, das von den versprochenen 2 Mrd. EUR schon gut ein Viertel bekommen hat, stehen die Zeichen auf Sturm. Der Konzern steckt mangels Nachfrage in der Krise; befürchtet wird der Verlust von 10.000 der bisher 27.000 Stellen. Durchgesickert ist, dass die geplante Direktreduktionsanlage deutlich mehr kosten dürfte als die dafür veranschlagten 2,7 Mrd. EUR. Ob der Bau dann noch zu stemmen ist, steht in den Sternen.

Auch großer Aufwand führt nicht immer zum gewünschten Wachstumserfolg
Bild: © Ilgun – stock.adobe.com

Ein Debakel auf allen drei Feldern
Das Debakel dieser Politik bei Stahl und Chips setzt sich bei den Batteriezellen fort. Hier kamen zuletzt von Northvolt schlechte Nachrichten: Diese bekommt bei der Produktion hochmoderner Akkus in Nordschweden etwa für E-Mobile von Porsche, BMW und VW technische Probleme nicht in den Griff. Mehrfach wurde der Produktionsbeginn verschoben. Nun muss bei Northvolt hart saniert werden, die Rede ist von Standortschließungen. In Schleswig-Holstein bangt man um das in Bau befindliche Werk in Heide, in das schon über 900 Mio. EUR Subventionen geflossen sind. Zuletzt hieß es, Northvolt wolle an diesem Vorhaben festhalten; allerdings solle im Herbst über „Anpassungen der Zeitpläne“ entschieden werden. Der Batteriehersteller Varta wiederum ist Ende Juli trotz 137 Mio. EUR aus dem Bundeshaushalt inzwischen kollabiert. Für die Aktionäre war es ein Totalverlust; die Bundesregierung hofft, dass die geförderte Batteriezellherstellung trotzdem noch zustande kommt.

Nicht nur auf der Ebene der geförderten Unternehmen ist die Bilanz dieser Politik also desaströs. Auch den drei angestrebten Zielen (Produktion von High-End-Chips in Europa, mehr Elektroautos, grüner Stahl) ist man kaum nähergekommen. Bei den Halbleitersubventionen, die eine Abhängigkeit von China respektive Taiwan reduzieren sollten, kommt noch hinzu, dass hier ohnehin ein Prozess der Standortdiversifizierung im Gange war und es für sichere Lieferketten nicht darauf ankommt, ob solche Chips in den USA, Schweden oder eben Sachsen hergestellt werden.

Subventionierte Firmen bekommen ein Erpressungspotenzial
Was die theoretische Kritik an dieser Politik angeht, so ist diese nicht in wenigen Zeilen darzustellen. Zwei zentrale Probleme hat indessen die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kürzlich in der FAZ benannt. So gebe es nach solchen Zahlungen ein gewisses Erpressungspotenzial, einen „Lock-in-Effekt“, in den sich der Staat begeben habe. Anders gesagt: Es entsteht Druck auf den Staat, dem schlechten Geld gutes hinterherzuwerfen. Das geförderte Unternehmen habe zudem einen Anreiz, Innovationsrisiken auf den Staat abzuwälzen und seine Kosten kleinzurechnen, die es viel besser kenne als der Staat. Grimms Fazit: „Es wird viel Geld versprochen, und trotzdem dreht man sich im Kreis. Wann wacht da jemand auf?“

 

 

 

 

 

 

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