„An erster Stelle steht ein herausragendes Geschäftsmodell“

Johannes Hesche

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Johannes Hesche, ACATIS Investment, über Value-Kriterien, interessante Anleihespezialitäten und die Ausrichtung des Acatis Value Event (WKN: A0X754)

Smart Investor: Seit Februar sind Sie für das Portfolio des ACATIS Value Event verantwortlich. An welchen Stellen
sehen Sie sich in einer Kontinuität mit Ihren Vorgängern und an welchen nicht?

Hesche: Meine Philosophie und Herangehensweise sind stark von fundamentaler Analyse geprägt, ähnlich wie bei meinen Kollegen. Wir legen großen Wert auf stabile, ertragreiche Geschäftsmodelle. Trotz dieser gemeinsamen Basis können die Ergebnisse natürlich variieren. Mein Fokus liegt jedoch auf meiner eigenen Arbeit und darauf, einen exzellenten Job zu machen; ich vergleiche mich nicht.

Smart Investor: Sie haben als Fondsmanager vorrangig Erfahrung auf der Aktienseite. Wie überzeugen Sie Anleger, dass Sie auch für Anleihen der richtige Mann sind?
Hesche: Taten sagen mehr als Worte. Seitdem ich die Hauptverantwortung übernommen habe, hat sich im Rentenbereich viel getan. Wir haben neue Titel aufgenommen und spezielle Themen umgesetzt. Ein Beispiel ist der Kauf einer nachrangigen USD-Anleihe der Hamburg Commercial Bank, die trotz ihres höchsten Ratings (Moody’s, AAA) eine höhere Rendite als vergleichbare US-Staatsanleihen bietet. Diese Anleihe wurde noch von einem der Vorgängerinstitute, der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale, ausgegeben und hat daher eine Ländergarantie. Ganz spannend: Das Rating der Hamburg Commercial Bank selbst liegt nur noch „gerade so“ bei Investment Grade. Generell mag ich Sondersituationen, und diese bieten sich am Anleihemarkt immer wieder. Unternehmensanleihen sind ebenfalls ein spannendes Thema. Teilweise gleicht hier die Analyse der Anleihen der fundamentalen Aktienanalyse, denn es stehen ebenfalls Bilanzen und Cashflows auf dem Prüfstand und am Ende entscheidet sich, ob man für die eingegangenen Risiken adäquat belohnt wird. Derzeit finden wir Opportunitäten mit einem attraktiven Rendite-Risiko-Profil eher bei Firmen mit guter Bonität: Denn Anleihen von Schuldnern mit schwächerem Bonitätsprofil zeigen momentan eher geringe Renditeaufschläge.

Smart Investor: Value-Ansätze gibt es mit unterschiedlichen Ausprägungen und Schwerpunkten. Wie definieren Sie Value mit Blick auf die von Ihnen gemanagten Fonds?
Hesche: Da gibt es für mich mehrere Kriterien, aber an erster Stelle steht ein he-rausragendes Geschäftsmodell. Charlie Munger sagte sinngemäß: „Eine erstklassige Firma zu einem fairen Preis ist einer mittelmäßigen Firma zu einem herausragenden Preis deutlich überlegen.“ Trotzdem achte ich darauf, nicht zu viel zu bezahlen. Wir diskontieren hier die zukünftig zu erwartenden Cashflows und Gewinne und investieren nur dann, wenn die erwartbare Rendite bei etwa 10% liegt. Das heißt im Umkehrschluss, dass günstige Multiples wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis bei mir nicht die größte Beachtung finden. Ich fokussiere mich viel mehr auf den diskontierten Barwert unserer Investitionen. Damit das funktioniert, sollte das Geschäftsmodell auch möglichst langfristig ausgerichtet sein und über einen breiten ökonomischen Burggraben verfügen, um seine Gewinne vor allzu starker Konkurrenz schützen zu können. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Firmen aus sich heraus echten Wert schaffen müssen – und das auch über lange Zeithorizonte. Daher kommen für mich Spekulationen im Rohstoff- oder Energiesektor eher weniger infrage.

Smart Investor: Können Sie einen Titel nennen, der von Ihnen im Value-Event-Fonds kürzlich neu ins Portfolio aufgenommen wurde, und einen, von dem Sie sich getrennt haben?
Hesche: Wir haben uns von Ryman Healthcare getrennt, da die jüngsten Quartalszahlen enorme Abschreibungen erforderten und das Risikoprofil somit nicht mehr passend war. Im April haben wir Visa neu ins Portfolio aufgenommen. Visa verfügt über ein herausragendes Geschäftsmodell, benötigt kaum Kapital, weist sehr hohe Cashflowrenditen auf und wird insbesondere in Europa von der zunehmenden Verdrängung des Bargelds profitieren. Bei jeder Zahlung mit der Visa-Karte nimmt sich das Unternehmen einen kleinen Teil der Rechnung und sorgt dafür, dass der Verkäufer schnellstmöglich an sein Geld kommt. Visa selbst hat dabei allerdings kein Kreditrisiko; das liegt immer bei der Bank, die die Karte ausgegeben hat. Daher machen mir die höheren Ausfälle auf Kreditkartenzahlungen in den USA auch erst einmal weniger Sorgen – die künftigen Gewinne und Cashflows bleiben verhältnismäßig gut prognostizierbar.

Smart Investor: Sie fahren aktuell mit ca. 25% eine relativ hohe Cashquote. Gibt es bei Aktien und Anleihen momentan wenig attraktive Opportunitäten?
Hesche: Geduld ist für mich, auch beim Investieren, eine unverzichtbare Tugend. Aktuell werde ich sogar durch das Tagesgeldkonto dafür belohnt, dass ich abwarte. Ich gehe davon aus, dass noch attraktivere Kaufgelegenheiten kommen. Dennoch finden wir kontinuierlich spannende Investitionsmöglichkeiten, die ich aber nur dann ergreife, wenn ich wirklich überzeugt bin. Dabei ist es auch immer wieder wichtig, zu betonen, dass ich keine generelle Sicht auf den Markt habe. Jede Investition soll für sich selbst stehen und ihre Rendite bringen. Wo dabei die Bewertung des gesamten Aktienmarkts steht, spielt für mich eine untergeordnete Rolle. Derzeit sind wir besonders auf der Bondseite wieder aktiver.

Smart Investor: Herr Hesche, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Johannes Hesche studierte Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss Master an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Bevor er 2018 zu ACATIS kam, war er bei Grant Thornton Schweiz-Liechtenstein, W&L Asset Management und bei der VP Bank tätig. Er managt hauptverantwortlich den Acatis Value und Dividende und den Acatis Value Event Fonds. Hesche ist Executive Partner der Acatis Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH und Leiter des qualitativen Portfoliomanagements.

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