„Rückkehr der Inflation …“

June-Yon Kim

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit June-Yon Kim über die möglichen Treiber des japanischen Aktienmarkts

Smart Investor: Herr Kim, bitte skizzieren Sie kurz die Investmentphilosophie und den Entscheidungsprozess beim Lazard Japanese Strategic Equity Fund.
Kim: Unser Ansatz zielt darauf ab, mittel- bis langfristigen Kapitalzuwachs zu erwirtschaften, indem wir in unterbewertete Anlagemöglichkeiten im japanischen Aktienmarkt investieren. Wir sind der Ansicht, dass der Marktpreis einer Aktie erheblich von ihrem inneren Wert abweichen und ein konträrer und bewertungsorientierter Ansatz langfristig höhere Renditen erzielen kann. Mithilfe von Fundamentalanalysen versuchen wir, asymmetrische Anlagegelegenheiten zu identifizieren: Titel mit begrenzten Abwärtsrisiken und großem Aufwärtspotenzial. Durch einen kontinuierlichen Prozess, in dem wir uns gegenseitig unsere überzeugendsten Ideen vorstellen und sie diskutieren, entwickeln wir ein Portfolio, das unsere besten Ideen umfasst.

Der japanische Markt weist zahlreiche Ineffizienzen auf. Ein Grund dafür ist die geringe Researchabdeckung: Etwa 68% der japanischen Unternehmen werden von nur zwei oder weniger Analysten beobachtet. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der US-Unternehmen, auf die dies zutrifft, bei etwa 6%. Hinzu kommt, dass japanische Aktien von globalen Anlegern seit Jahrzehnten konsequent untergewichtet werden. Infolgedessen ist der japanische Aktienmarkt auf der Sell- wie auf der Buy-Side schlechter abgedeckt. Für Investmentmanager wie uns, die den japanischen Markt genau kennen und seit Langem vor Ort präsent sind, ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten zur Alphagenerierung.

Smart Investor: Japan ist überaltert, hoch verschuldet und die Bank of Japan hat sich nach der Deflationsphase von der Politik des Negativzinses verabschiedet, so die gängigen Negativargumente. Warum sollten Anleger dennoch in Japan investieren?
Kim: Es stimmt, dass Japan eine alternde Gesellschaft aufweist und zudem in Bezug auf Zuwanderung sehr restriktiv ist. Allerdings öffnet sich das Land langsam, wenn auch auf eine selektive Art und Weise. Was die Verschuldung betrifft, so muss man zwischen der Verschuldung des Staates und der des privaten Sektors unterscheiden. Die hohe Staatsverschuldung Japans ist ein bekanntes Thema – aber ich möchte anmerken, dass die Nettostaatsverschuldung wesentlich niedriger ist als die Bruttobeträge, über die gemeinhin gesprochen wird. Darüber hinaus ist Japan wie die USA in der vorteilhaften Lage, Schulden in seiner eigenen Währung zu emittieren. Auch hat sich die Tragfähigkeit von Japans Schuldenposition erheblich verbessert, da das nominale Wachstum nun deutlich über den Zinskosten liegt. Was den privaten Sektor betrifft, so haben die börsennotierten japanischen Unternehmen ihre Verschuldung seit dem Höchststand nach der Finanzblase der 1980er Jahre erheblich reduziert. Rund 45% der Unternehmen im MSCI Japan, die nicht dem Finanzsektor angehören, weisen eine Netto-Cash-Position auf, und die Nettoverschuldung des Nichtfinanzsektors ist im Verhältnis zum Eigenkapital heute niedriger als im Rest der Welt und entspricht nur noch der Hälfte der historischen Höchststände.

Dass die Bank of Japan ihre Negativzinspolitik aufgegeben und die Zinsen zum ersten Mal seit 2007 angehoben hat, sehen wir als positives Zeichen, markiert dies doch das Ende der Deflation. Die mittel- und längerfristigen Aussichten für japanische Aktien sind aus unserer Sicht weiterhin sehr positiv, da sich zwei entscheidende Entwicklungen fortsetzen: die Verbesserung der Corporate Governance, die zu einer besseren Kapitaleffizienz und höheren Aktionärsrenditen führt, und der Übergang von Deflation zu Inflation. Wir sind der Meinung, dass dieser Wandel und seine positiven Auswirkungen auf die Konsumgewohnheiten, das Investitionsverhalten der Unternehmen und deren Risikobereitschaft von den Marktteilnehmern noch nicht ausreichend verstanden wurden.

Smart Investor: Ein weiteres Thema, das Investoren beschäftigt, sind die „Yen Carry Trades“. Von welchen Dimensionen sprechen wir hier und erwarten Sie Verwerfungen aus diesem Bereich?
Kim: Da wir einen fundamentalen Bottom-up-Ansatz verfolgen, stehen Carry Trades nicht im Fokus unseres Researchs.

Smart Investor: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends und Entwicklungen, die den japanischen Aktienmarkt in den nächsten Jahren prägen werden?
Kim: Die erste wichtige Entwicklung ist die Rückkehr der Inflation nach vielen Jahren hartnäckiger Deflation. Viele japanische Unternehmen waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einer Negativspirale gefangen. In dieser Zeit konnten sie die Preise nicht erhöhen oder gar Kostensteigerungen weitergeben. Dies führte zu gedrückten Gewinnspannen und die Unternehmen waren nicht in der Lage, in künftiges Wachstum zu investieren. Im Gegensatz zu den USA und Europa entwickelte sich in Japan sowohl bei Verbrauchern als auch bei Herstellern eine „deflationäre Mentalität“, die davon ausging, dass die Preise immer nach unten tendieren würden. Diese deprimierende Situation hat sich zuletzt dramatisch verbessert. Das Ergebnis ist eine positive Rückkopplungsschleife, die höhere Löhne für die Arbeitnehmer beinhaltet sowie mehr Investitionen für künftiges Wachstum und bessere Renditen für Aktionäre.

Die zweite wichtige strukturelle Veränderung, die wir in Japan sehen, ist die von der japanischen Regierung geführte Kampagne zur Verbesserung der Unternehmensführung und der Kapitalallokation. Deren Ziel ist es, den Wert der Unternehmen zu steigern. Der Prozess wurde 2013 mit der Einführung der „Abenomics-Strukturreformen“ angestoßen. Zu Beginn des letzten Jahres leitete die Tokioter Börse eine Reihe von Initiativen ein, die das Interesse an Verbesserungen im Governance-Bereich erneut entfachten. Diese Maßnahmen könnten sich in den kommenden Jahren noch positiver auf die Wertschöpfung auswirken, als es der Markt derzeit annimmt.

Smart Investor: Welche Branchen favorisieren Sie vor diesem Hintergrund? Gibt es Einzeltitel, die Ihnen besonders gut gefallen?
Kim: Wir sind bei Finanzwerten und Rohstoffen übergewichtet. Banken sollten von der aufkeimenden Inflation und weiteren Zinserhöhungen profitieren, während dem Rohstoffbereich die zunehmende Preisdisziplin auf dem Inlandsmarkt zugutekommen dürfte. Interessanterweise sehen viele japanische Unternehmen auf dem Inlandsmarkt geringere Gewinnspannen als auf dem internationalen Markt, obwohl sie in Japan einen deutlich höheren Marktanteil haben. Wir sehen, dass sich diese Anomalie allmählich umkehrt.

Smart Investor: Vielen Dank für das Gespräch.

June-Yon Kim ist Leiter des Teams für japanische Aktien bei Lazard Asset Management und Lead Portfolio Manager/Analyst des Lazard Japanese Strategic Equity Fund.

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