Paradigmenwechsel am Markt
Inflation steigt
Die Inflation sollte fallen. Doch das macht sie nicht. Im Gegenteil: Sie steigt. Um die Wirtschaft in Zeiten der Corona-Pandemie vor dem Absturz zu bewahren, injizierten die Notenbanker Abermilliarden an frischem Geld in das Finanzsystem. In den USA wurden sogar Schecks an die Konsumenten verschickt: „Bitte kaufen Sie ein! Mit freundlichen Grüßen, Ihre Regierung“
Die Verbraucher taten, wie ihnen geheißen, und die Börsenkurse hoben ab. Dann begannen Jerome Powell (Fed) und Christine Lagarde (EZB), das Geld wieder einzusammeln. Sie erhöhten die Leitzinsen und verknappten die Geldversorgung. Das taten sie allerdings vorsichtig, mit Rücksicht auf die Konjunktur, die zu finanzierenden Haushaltsdefizite und die knirschende Eurozone. Marktbeobachter rechneten mehrheitlich mit nachgebenden Aktienkursen. So steht es schließlich im Lehrbuch, steigen die Zinsen, sinken die Kurse …
Doch das taten sie nicht. Auch die Inflation erweist sich nach einer ersten (?) Spitze als klebrig. Nun ist guter Rat teuer beziehungsweise gar nicht zu haben: Powell und Lagarde tasten sich vor, in unerforschte Gebiete volkswirtschaftlicher Lehrlandschaften. Die Konsumentenpreise stiegen in den USA im März laut letztverfügbaren offiziellen CPI-Angaben (Consumer Price Index) wieder um +3,48%, nachdem die Inflationsrate im Februar bereits bei +3,15% und im Januar noch bei +3,09% lag.
Inflationsgewinner
Angesichts der hartnäckigen Inflation vollzieht sich im Aktienmarkt eine Sektor-Verschiebung. Von der breiten Anlegeröffentlichkeit ist das noch weitgehend unbemerkt. Statt sich länger für luftig bewertete Software-Schmieden und KI-Konzerne zu begeistern, beginnen die Profis ebenso still wie ausdauernd, jene Aktienunternehmen zu akkumulieren, die vor kurzem noch für altmodisch gehalten wurden. Mittlerweile gelten sie als Hard Assets, mit denen sich in einer Inflationsphase womöglich sogar ordentliche Gewinne erzielen lassen. Experten nennen Unternehmen wie Shell (WKN: A3C99G), Total Energies (WKN: 850727), Rio Tinto (WKN: 855018), Glencore (WKN: A1JAGV) und Southern Copper (WKN: A0HG1Y).
Deren Kursentwicklung ist teilweise bemerkenswert. Hard Assets stammen zumeist aus dem Bereich der Grundstoffe: Es sind jene Unternehmungen, bei welchen es darum geht, der Natur etwas abzuringen, sich dabei „die Hände schmutzig zu machen“ und die gewonnen Güter anschließend physikalisch aufwändig zum Verbraucher bringen zu müssen. Diese Unternehmen sind gefühlt auf einem vollkommen anderen Planeten unterwegs als die cleanen Wafer-Produzenten in ihren Hochreinräumen und die Software-Nerds an ihren Monitoren im Silicon Valley. Natürlich ist aber dennoch alles mit allem verbunden.
Inflationsverlierer
Vor allem gehört der gemeine Verbraucher zu den Inflationsverlierern. Sogar beim Vorsprechen in der Amtsstube merkt er, wie weiter an der Gebührenschraube gedreht wird. Selbst Standarddienstleistungen wie das Ausstellen von Ausweisen, Führerscheinen und Bescheinigungen werden teurer. Ebenso steigen die Preise in den Supermärkten. Handwerkerrechnungen führen zur Schnappatmung. Eindrücklich zeigen lässt sich die FASTfood-Inflation beim Bulettenbrater McDonalds. Das Finanzportal Finance Buzz hat die amerikanischen Menü-Preise von 2014 denen von heute gegenübergestellt. Die Tendenz zur „MacFlation“ dürfte in Deutschland ähnlich sein.
Das Erstaunliche: Jahrzehntelang profitierten der Kurs der McDonalds-Aktie (WKN: 856958) von den Preissteigerungen bei Menüs und vor allem bei den Grundstücken, auf welchen die Schnellrestaurants stehen. Derzeit schwächelt der Kurs. Ähnlich unerfreulich entwickeln sich die Börsennotierungen von Unternehmen wie Nestlé (WKN: A0Q4DC) und Kraft Heinz (WKN: A14TU4).
Was kann die Ursache sein für die aktuelle Marktschwäche von Aktienunternehmen, die mit hochverarbeiteten Lebensmitteln hantieren oder sie produzieren? Für Wirtschaftsseminare ist das eine spannende Frage. Es lässt sich forschen, es werden sich Antworten finden. Erfolgreiche Anleger warten nicht auf die Forschungsergebnisse. Ihnen reicht zu sehen, was ist – und entsprechend zu handeln.
Kommt etwas Großes auf uns zu?
Derzeit schlagen die Thesen des ehemaligen Fondsmanagers David Rogers Webb im Netz hohe Wellen. Der Mann behauptet Ungeheuerliches. Wir bringen unseren Lesern die Thesen näher und klopfen sie auf mögliche Widersprüche ab. Aber auch der Börsenalltag bleibt spannend. Es gibt sie noch, die Megainvestments. Smart Investor verrät, wie Sie von disruptiven Technologien in den Märkten der Zukunft profitieren. Allerdings muss man sich nicht immer an der vordersten Front der Innovationen positionieren, um an den Börsen erfolgreich zu sein. Oft zahlt sich generationenübergreifende Beharrlichkeit aus, wie bei Familienunternehmen, die sich strategisch positioniert haben. Über alledem steht aber die Frage, ob die jüngste Kursrücksetzer nur ein Ausrutscher war, oder ob wir hier den Anfang einer größeren Korrekturbewegung gesehen haben. Da kommt einiges an Lesestoff auf Sie zu, im neuen Smart Investor 5/2023, der zum Wochenende erscheint.
Deutsche Dividendentitel: heute ATOSS Software AG
Die deutsche Dividendensaison nimmt Fahrt auf. Entsprechend machen wir uns wieder auf die Suche nach interessanten Titeln. Experten erwarten für dieses Jahr einen neuen Dividendenrekord. Dabei werden 26 DAX-Unternehmen die Dividende erhöhen, während elf weitere die Ausschüttung konstant lassen. Lediglich drei Unternehmen – Bayer, BMW und Fresenius – haben Kürzungen angekündigt.
Den Start unserer diesjährigen Reihe macht ATOSS Software AG (WKN: 510440). Spezialisiert auf die Entwicklung und den Vertrieb von Technologie- und Beratungslösungen im Bereich Workforce Management, belegen die Münchner seit Jahren vordere Plätze unter den wachstumsstärksten Mittelständlern Deutschlands. Auch das letzte Geschäftsjahr konnte mit einem Rekord bei Umsatz und Gewinn abgeschlossen werden. Entsprechend wird die kommende jährliche Ausschüttung an die Aktionäre um fast 20% auf 3,37 EUR pro Aktie angehoben. Die Dividendenrendite wirkt mit 1,40% etwas mickrig, was aber vor allem an der vergangenen Rally liegt (aktueller Kurs: 242,00 EUR). Ende März konnte sogar ein neues Allzeithoch erreicht werden. Nichtsdestotrotz überzeugen die anderen dividendenbezogenen Kennzahlen auf ganzer Linie. Da wäre zunächst eine optimale Ausschüttungsquote von rund 45% des Free Cashflow. Die letzte Dividendensenkung ist bereits 17 Jahre her und die Steigerungsrate im Zehn-Jahre-Durchschnitt liegt bei phänomenalen knapp 25% pro Jahr. Wer am 6.5. in den Genuss der einjährigen Gewinnausschüttung kommen möchte, sollte sich die Aktie bis zum Ex-Datum 2.5. ins eigene Depot holen.
Zu den Märkten
Schrecksekunde oder mehr? Vergangenen Freitag rutschte der DAX im Sitzungsverlauf erneut deutlich ab. Er schien sich damit stabil unter seinem Aufwärtstrend zu etablieren. Doch noch während der Sitzung zeigte sich eine erste leichte Rückkaufsneigung. Am Montag drehte der Markt dann ins Plus, woran sich ein äußerst positiver Dienstag anschloss. War es das bereits mit der Korrektur? Mit einer solchen Beurteilung wären wir im Moment noch zurückhaltend. Der starke Kursverlauf vom Dienstag deutet auf eine Short-Covering-Rally. Diese entsteht, wenn Baissespekulationen eingedeckt werden, die Short-Spekulanten ihren Angriff also erst einmal einstellen. Sie ist ein eher kurzfristiges Phänomen. Erst im Anschluss entscheidet sich, ob sie eine neue Attacke versuchen, oder ob die Bullen wieder das Heft des Handelns in die Hand bekommen.
Charttechnisch ist der bisherige Aufwärtstrend zu beachten, an den sich der Index nun wieder von unten herangearbeitet hat. Gelingt ein Re-Break, wäre das sehr positiv. Prallt der Kurs dagegen von der Linie ab, könnten die Bären einen neuen Versuch für eine Baisse-Spekulation unternehmen. Wichtiger als die Chartsituation erscheint derzeit allerdings die Nachrichtenlage. Besonders von der Berichtssaison können jederzeit positive oder negative Impulse kommen. Die geopolitische Lage bleibt weiter angespannt, auch wenn in Nahost beide Seiten erst einmal nicht an einer weiteren Eskalation interessiert scheinen.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zu den Käufen in unserem Musterdepot, sowie zu den bewegten Tagen in unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Die große Monatstabelle für April 2024 ist diesmal ebenfalls enthalten. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Die Inflation bleibt eines der beherrschenden Börsenthemen, nicht für jedes Unternehmen ist sie schlecht.
Ralf Flierl, Frank Sauerland, Ralph Malisch
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Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
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