Österreichische Schule
Wie sich die Politik ihre Steilvorlage selbst fabriziert
Chancen- vs. Ergebnisgleichheit
Wenn Begriffe penetrant in der politischen Debatte gehalten werden, dann steckt dahinter selten Zufall. Staatsgläubige jeder Couleur lieben beispielsweise das Thema Umverteilung. Da das Umverteilen aber das Wegnehmen voraussetzt, soll dem Vorgang durch eine flankierende Gerechtigkeitsdebatte eine zumindest oberflächliche Legitimität verliehen werden. In dieser Debatte geht es allerdings immer weniger um jene Chancengleichheit, die ein Wirtschaften in Freiheit und Eigenverantwortung erlaubt, sondern um Gleichheit in Form einer umfassenden und nachträglichen Nivellierung von Einkommen und Vermögen. Für Leistungsträger ist das kaum motivierend: Ihre Leistungsbereitschaft sinkt oder sie suchen ihr Glück in freundlicheren Gefilden. Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb der verteilbare Kuchen durch übertriebene Umverteilung nicht etwa gleichbleibt, sondern immer kleiner wird. Die anderen bestehen in der grundsätzlichen Ineffizienz staatlichen Handelns und den zahlreichen unbeabsichtigten Folgewirkungen durch Besteuerung, Subventionierung und Regulierung.
Geld für die Welt
Dennoch wird die Umverteilung heute nicht nur im Lande, sondern auch auf internationaler Ebene in einem nie zuvor gekannten Umfang vorangetrieben. Neben der klassischen Entwicklungshilfe ist die sogenannte Klimapolitik im Wesentlichen eine Politik der Umverteilung. Aus der Feststellung, dass Deutschland ein reiches Land sei, wird etwa nahtlos abgeleitet, dass dieser Wohlstand der Politik zur Disposition zur Verfügung stehe. Zudem wird geflissentlich übersehen, dass die deutsche Produktivität seit Jahren bestenfalls stagniert und das Land inzwischen selbst hoch verschuldet ist (siehe auch Interview mit Prof. Dr. Fritz Söllner auf S. 20). Während die Zielerreichung solcher politisch motivierter Transfers erst gar nicht ernsthaft gemessen wird, illustrieren zahlreiche Hinweise auf Zweckentfremdungen und Korruption ein weiteres Grundsatzproblem der staatlichen Gießkanne.
Zeitgeistiger Wälzer mit Kollateralnutzen
Als Anknüpfungspunkt für die Notwendigkeit von Umverteilungsmaßnahmen wird regelmäßig eine nach welcher Methode auch immer ermittelte Ungleichheit herangezogen. Einen regelrechten Medienhype löste vor einigen Jahren Thomas Pikettys Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ aus. Nicht von ungefähr ist der Titel eine unverhohlene Anspielung auf „Das Kapital“ von Karl Marx. Der zeitgeistige Wälzer wurde zwar zum Bestseller, allerdings dürfte er weitaus häufiger gekauft als tatsächlich gelesen worden sein. Im Politikbetrieb war er dennoch hochwillkommen, denn einmal mehr hatte „die Wissenschaft“ die Begründung für jene Maßnahmen geliefert, die ohnehin vorangetrieben werden. Der Hinweis auf die Notwendigkeit von Umverteilung erlaubt nämlich die Erhöhung von Steuern und die Steigerung der Staatsquote, womit der Kollateralnutzen für den ohnehin aufgeblähten Apparat auf der Hand liegt.
Pseudomoral der Umverteilung
Auch wenn die „soziale Gerechtigkeit“ kein echtes Herzensanliegen der politischen Klasse sein dürfte, erlaubt ihr das Thema doch, sich als Sachwalter der kleinen Leute zu inszenieren. Motto: Wir tun nicht nur etwas gegen Ungerechtigkeit, wir leisten euch konkrete Hilfe und nehmen „den Reichen“ etwas weg. So werden nicht nur bestehende Ressentiments bedient, sondern gleich auch noch die Sündenböcke für die chronisch leeren Kassen der öffentlichen Hand präsentiert – wir sind arm, weil „die“ reich sind. Auf diese Weise werden selbst die unethischsten Auswüchse der Besteuerung quasi zum moralischen Imperativ überhöht.
Beredtes Schweigen
Um es klar zu sagen: Nach hiesiger Auffassung sind Einkommens- und Vermögensunterschiede, die durch Fleiß, Kreativität und Wagemut entstehen, auch große Einkommens- und Vermögensunterschiede, nicht zu beanstanden. Selbst auf die zuletzt auffallend oft ins Visier genommenen Erbschaften haben die Erben allemal mehr Anspruch als eine kleptokratische Politik, bei der die Leichenfledderei schon lange zum Standardrepertoire gehört. Bemerkenswert ist, dass auch die größten Befürworter der Umverteilung hinsichtlich der wesentlichen Ursachen leistungsloser Ungleichheit beredt schweigen. Es geht um die Verwerfungen durch unsere ungedeckten Papiergeldsysteme.
Quelle der Ungleichheit
Dr. Karl-Friedrich Israel, Assistenzprofessor an der Université catholique de l’Ouest in Angers, Frankreich, hat sich intensiv mit der Rolle der Geldpolitik, genauer der monetären Expansion durch Kreditausweitung hinsichtlich der wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen befasst. Diese schaffe starke sektorale Ungleichheiten, insbesondere zwischen dem Finanzsektor und dem produzierenden Gewerbe. Zudem fördere sie die intergenerationelle Ungleichheit, weil sich die Bedingungen für jüngere Generationen im Vergleich zu älteren verschlechterten. Wesentliche Effekte der monetären Expansion sind der Cantillon-Effekt, der Vermögenseffekt und die Inflation, die allesamt die Ungleichheit verstärken.
Mechanik der Reichtumsverteilung
Der nach dem Ökonomen Richard Cantillon benannte Cantillon-Effekt beschreibt, wie die Injektion neuer Geldmengen in die Wirtschaft zuerst jenen Gruppen zugutekommt, die direkten Zugang zu diesem neuen Geld haben. Sie können damit Vermögenswerte kaufen, bevor das Preisniveau in der Breite anzieht. Die systematische Begünstigung dieser „early adopters“ des neuen Geldes führe zu einer Vertiefung der sozioökonomischen Kluft.
Vermögenskonzentration
Eng verbunden mit dem Cantillon-Effekt ist der Vermögenseffekt, der beschreibt, wie Preissteigerungen bei Vermögenswerten – seien es Immobilien, Aktien oder andere Investitionen – das Nettovermögen deren Besitzer erhöhen. Da wohlhabendere Individuen und Haushalte tendenziell einen größeren Anteil ihres Vermögens in solchen Anlagen hielten, profitierten sie überproportional von diesen Preissteigerungen, während die Kaufkraft der unteren Einkommensschichten erodiere. Israel hebt hervor, dass dieser Effekt eine Schlüsselrolle bei der Akkumulation von Reichtum spiele und die Ungleichheit weiter verstärke, da diejenigen, die in solche Anlagen nicht investieren könnten, relativ verlören.
Inflation des Fiatgeldsystems
Ferner kritisiert Israel, dass das „moderne“ Fiatgeldsystem, welches es Zentralbanken erlaube, unbegrenzt neues Geld zu schaffen, zu chronischer Inflation führe, die als eine Art Steuer auf das Halten von Bargeld und Spareinlagen wirke. Daraus ergebe sich eine Umverteilung von den Sparern zu den Schuldnern, von den Arbeitnehmern zu den Vermögensbesitzern und von den Konsumenten zu den Produzenten. Das inflationierende Fiatgeldsystem verstärke den Effekt bei den erwähnten Erstempfängern des neuen Geldes – einer Gruppe, die typischerweise aus Finanzinstitutionen, großen Unternehmen und staatlichen Akteuren bestehe.
Fazit
Für die Politik scheint Kritik am Fiatgeldsystem eine moderne Form der Gotteslästerung zu sein. Es ist nicht verwunderlich, dass der Status quo mit Zähnen und Klauen verteidigt wird, denn die Kombination aus relativer Verarmung der Massen durch das Geldsystem auf der einen Seite und dem „fürsorglichen“ umverteilenden Staat auf der anderen hat für die politische Klasse eine Art Perpetuum mobile des Machterhalts geschaffen. Im Prinzip agiert sie wie der sprichwörtliche Feuerwehrmann, der zuvor selbst einen Brand gelegt hat und diesen anschließend auch noch mit Benzin „löscht“. Die von Politik und Medien über diese Wirkzusammenhänge getäuschten Opfer rufen nach immer weiteren „Löschzügen“, also nach noch mehr Staat. Doch auch dieses scheinbar perfekte System hat eine Achillesferse: Die systemisch immer weiter ansteigende Verschuldung wird das Vertrauen und damit die Dominanz des Fiatgelds perspektivisch beenden.