Zeit die Pferde zu wechseln?

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„Entweder, oder“, oder doch „Sowohl als auch“!?

Dramatische Kursgewinne

Wie wir in der letzten Woche berichteten, werden einige Akteure angesichts der Kursentwicklung des Bitcoins zunehmend nervös. Die Europäische Zentralbank fühlte sich gar bemüßigt, ein Hit Piece gegen die Kryptowährung zu veröffentlichen: „ETF approval for Bitcoin – the naked emperor’s new clothes“ (“ETF-Zulassung für Bitcoin – des nackten Kaisers neue Kleider“). Aus der Feder der EZB klingt das spaßiger als es wohl gemeint gewesen sein dürfte. Die stürmische Aufwärtsbewegung wurde dadurch zunächst jedoch nicht beeinträchtigt. Sowohl der Bitcoin als auch die in der letzten Ausgabe thematisierte Aktie von MicroStrategy (WKN: 722713), deren wesentlicher Geschäftszweck darin besteht, aktuell rund 190.000 Bitcoins zu halten, zogen bis Montag weiter dramatisch an. Es scheint eine regelrechte Fluchtbewegung aus den Fiatgeldern in Gang zu kommen. Auffällig ist hier aber, wie weit sich die Aktie inzwischen vom Coin entfernt hat, was wohl auch Ausdruck einer Spekulationsbereitschaft ist, die noch über die im Bitcoin hinausgeht. Am Dienstag setzte dann jedoch eine empfindliche Korrektur ein, was die Frage aufwirft, ob die Bitcoin-Story noch intakt ist.

Halbe Sachen

Ein Bitcoin-Halving, also die Halbierung der Rate, mit der neue Bitcoins das Licht der Welt erblicken, gilt in der Bitcoin-Community traditionell als das Ereignis schlechthin. Obwohl das nächste Halving erst am 20.4.24, also in gut 40 Tagen stattfinden soll, zog der Kurs bereits im Vorfeld so außergewöhnlich stark an. Des Rätsels Lösung sind die frisch zugelassenen Spot-ETFs, die sich eines gewaltigen Zustroms an Anlegergeldern erfreuen. Bestseller-Autor Marc Friedrich (vgl. Smart Investor 2/2024, S. 16) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass diese täglich bis zu 11.000 Bitcoins absorbierten, während aktuell lediglich 900 Bitcoins pro Tag von den Minern geschürft würden; ab Ende April dann entsprechend nur noch die Hälfte. Erschwerend komme hinzu, dass der Bitcoin illiquide bleibe. Laut einer Glassnode-Analyse tun 70% aller zirkulierenden Bitcoins genau das nicht – zirkulieren. Sie sind trotz eines Kursanstiegs von mehr als 170% auf Jahressicht nicht bewegt worden. Die spannende Frage ist, ob die heutigen Statements von Fed-Chef Jerome Powell die Bitcoin-Community verunsichern werden und ob überhaupt Bitcoins durch Kursbewegungen aus den Wallets herausgekitzelt werden können.

Erneuter Ausbruchsversuch

Wenn wir eingangs von einer regelrechten Fluchtbewegung aus den Fiatgeldern sprachen, dann kommt dies nicht von ungefähr. Denn mit Gold ist ein weiterer, sehr viel älterer Bekannter wieder zum Leben erwacht. Auf Schlusskursbasis konnten bereits neue Allzeithochs erzielt werden. Vor allem scheint diesmal der Ausbruch über die drei markanten Spitzen zu gelingen, der beim letzten Mal noch kurzfristig scheiterte. Damit ist für Gold der Weg nach oben frei – und im Vergleich zu den meisten Aktienindizes wirkt es auch einigermaßen ausgeruht. Es kann also durchaus sein, dass einige Anleger hier die Pferde wechseln und sich nach dem Bullenlauf im Tech-Bereich erst einmal eine kleine Auszeit mit edlem Metall gönnen. Andererseits muss dies auch gar keine „Entweder, oder“-Entscheidung sein, denn noch immer ist massenhaft Liquidität an den Seitenlinien geparkt, die viel eher zu einem echten Problem für Anleger werden kann als ein paar Unzen Gold oder ein Bitcoin.

Natürlich steckt auch hinter dem Goldpreisanstieg der bange Blick auf Powell. Sollte er die nun für Juni erwartete Zinssenkung andeutungsweise weiter hinausschieben, womit er zudem langsam in Konflikt mit der heißen Phase es US-Präsidentschaftswahlkampfes geriete, würden nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch Bitcoin und Gold erst einmal verschnupft reagieren. Aktuell rechnen die Märkte mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 60% für eine Zinssenkung im Juni. Sollten die Wirtschaftsdaten schwach bleiben, dürfte die Wahrscheinlichkeit noch zunehmen.

Eindeutig für Gold sprechen dagegen die anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten. Die Weichen sind weiter in Richtung Krieg gestellt und der geht fast immer mit Inflation und Geldentwertung einher, selbst, wenn die Wirtschaft ansonsten lahmt. Auch wird sich in einem solchen Szenario, schon aufgrund der wieder in Gang gekommenen Rüstungsspirale, die Verschuldung der Staaten weiter erhöhen, ebenfalls ein starkes Argument für Gold. Zudem sind die Zentralbanken nach den neuesten Daten des World Gold Council (WGC) weiter auf der Käuferseite. Im Januar 2024 stiegen die offiziellen Goldbestände netto um 39 Tonnen, also mehr als doppelt so stark wie im Vormonat Dezember. Die Zentralbank der Türkei war dabei der größte Käufer mit einem Zuwachs von 12 Tonnen auf insgesamt 552 Tonnen Gold. Die People’s Bank of China und die Reserve Bank of India erhöhten ihre Bestände ebenfalls. Einzig die russische Zentralbank vermeldete einen Rückgang von drei Tonnen, was weniger mit der Kriegsfinanzierung als mit einem Münzprägeprogramm zu tun haben dürfte.

Das bessere Gold?

Sollte sich der Aufwärtstrend bei Gold verfestigen, dann dürfte auch das lange vernachlässigte Silber wieder auf wachsendes Interesse stoßen, auch wenn die ökonomische Charakteristik beider Metalle nicht direkt vergleichbar ist. Wie sehr Silber und Gold zuletzt auseinandergelaufen sind, lässt sich am Gold/Silber-Ratio ablesen, das mit rund 90 weit über dem langjährigen Durschnitt liegt, obwohl zuletzt auch Silber einen kleinen Kurssprung vollführen konnte. Im Gegensatz zu Gold ist das weiße Metall jedoch auch ein bedeutsamer Industrierohstoff. Dieser „Zusatznutzen“ muss nicht nur positiv sein, wie sich besonders in wirtschaftlichen Schwächephasen zeigt. Allerdings geht ein Teil des Silbers in genau jene Technologien der Digitalisierung und des sogenannten Klimaschutzes, die unabhängig von der Konjunktur in etlichen Ländern von massiver staatlicher Förderung profitieren. Marktbeobachter gehen zudem von einem anhaltenden Angebotsdefizit für den Silbermarkt aus. Das Thema ist ebenso komplex wie interessant, so dass wir uns dem kleinen Bruder des Goldes demnächst noch ausführlicher widmen werden.

Der „Trumpinator“ und die Fußnote

Auch am gestrigen „Super Tuesday“ konnte Ex-US-Präsident Donald Trump einen regelrechten Erdrutschsieg über seine innerparteilichen Herausforderer feiern. Die von den Mainstreammedien hofierte Nikki Haley sammelte bislang ganze 85 der notwendigen 1.215 Delegiertenstimmen, Trump dagegen bereits 936. Sie ist damit zur bloßen Fußnote des Nominierungsprozesses geworden, die partout nicht aufgeben will. Die Kandidatur dürfte Trump also nicht mehr zu nehmen sein, es sei denn, er wird auf der Zielgerade noch juristisch gestoppt. An Versuchen in dieser Richtung fehlt es jedenfalls nicht. Im Moment sieht es also nach einer Neuauflage des Duells Trump/Biden aus, wobei man gespannt sein darf, ob Amtsinhaber Biden erneut einen höchst überraschenden Überraschungssieg davontragen wird, sofern sein Gesundheitszustand eine Kandidatur im Herbst überhaupt erlaubt. Börsianer sollten sich also wieder einmal mit dem Thema Trump-Aktien beschäftigen, wobei die Börse selbst hier als eine Art Totalisator für die Chancen der beiden Kandidaten dient.

Zu den Märkten

Der DAX 40 erreichte am Freitag ein weiteres Allzeithoch. Im Tagesverlauf standen 17.816,52 Punkte auf der Uhr. Die anschließenden Korrekturen fielen überschaubar aus. Damit konnte der deutsche Leitindex erneut ein historisches Hoch erzielen und dieses Niveau im Wesentlichen auch verteidigen. Die Marke von 18.000 Punkten bleibt im Visier der Anleger. Wie wenig spektakulär die Serie von Allzeithochs im DAX ist, zeigt aber erst der internationale Vergleich. Auf Jahressicht nimmt sich das DAX-Plus von +13% geradezu bescheiden aus, zumindest im Vergleich zum japanischen NIKKEI 225, der mit +42% aufwarten kann und zudem erstmals die Marke von 40.000 Punkten überwunden hat. Knapp davor liegt der NASDAQ 100 mit einem Plus von +46%. Weder der jüngste Aufschwung des Bitcoins noch die Wiederaufnahme des Aufwärtstrends beim Gold – beides in gewisser Hinsicht Alternativen zu den Aktienmärkten – führten hier bislang zu Trendbrüchen. Es scheint also auch hier weniger um die Frage „entweder, oder?“ zu gehen als um ein beherztes „sowohl als auch“. Hauptsache raus aus den Fiatgeldern.

Sorglos sollten die Anleger dennoch nicht werden. Denn die mit Spannung erwarteten Aussagen von Fed-Chef Powell vor dem Kongress haben das Potenzial, die Märkte durcheinander zu wirbeln. Es ist fraglich, ob der Notenbankchef die erwartete Zinssenkung im Juni sicherer oder doch eher unsicherer machen wird. Angesichts haussierender Aktienmärkte gibt es von dieser Seite jedenfalls keinen Grund für übereilte Zinssenkungen. Vielleicht wird Powell den Märkten also doch noch eine Enttäuschung zumuten?

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Fazit

Anfang der Woche sah es so aus, als würden die Marktteilnehmer die Pferde wechseln. Am Dienstag mussten Tech-Aktien und vor allem der Bitcoin einen deutlicheren Rückschlag hinnehmen. Bereits einen Tag später war der Bitcoin jedoch wieder oben auf. Die Schubkraft durch die frisch genehmigten Spot-ETFs ist gewaltig.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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