„Immergroß“ ganz klein

Titelbild: © grandeduc – stock.adobe.com

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Strahlen die Immobilienpleiten auf die Märkte aus?

Scheinstabile Wertanlage

Immobilienanlagen werden von vielen Kapitalanlegern als besonders sicher und wertstabil angesehen. Zahlreiche historische Krisen in diesem Bereich sprechen eine andere Sprache. Oft genug standen die Häusermärkte sogar im Zentrum größerer Finanzkrisen bzw. waren deren Auslöser. Des Rätsels Lösung ist der hohe Kredithebel, mit dem hier gearbeitet wird und der so bei anderen Anlageklassen, etwa Aktien, nicht zu finden ist. Was letztere zudem so unsicher erscheinen lässt, sind die kurzfristigen Preisschwankungen. Fehlende zeitnahe Daten über Angebots-/Nachfrageverschiebungen machen Immobilien aber nicht „sicherer“. Vielmehr deutet dies auf ein weiteres Problem hin: Immobilien sind nicht liquide, was insbesondere dann zum Problem werden kann, wenn viele durch die gleiche Tür wollen.

Namen sind Schall und Rauch

Gerade erst sorgte noch die Signa-Pleite des Immobilienunternehmers René Benko in Österreich und weit darüber hinaus für Schlagzeilen; die Schockwellen reichen bis in die Banken- und Versicherungslandschaft und dürften noch lange nicht ausgestanden sein. Schon wird mit der chinesischen Evergrande Real Estate Group ein Pleitefall der Extraklasse schlagend – einer, der schon lange darauf wartete, einzutreten. Immerhin war die Aktie zwischen März 2022 und August 2023 fast 1,5 Jahre vom Handel in Hongkong ausgesetzt. Die Selbstüberschätzung zeigte sich bereits bei der Namensgebung des Unternehmens, die wohl auf ewige Größe hindeuten sollte. Erschwerende Umstände kamen hinzu: In einem Land wie China, das sich zwar in Teilen marktwirtschaftlich gibt, sollte der bestimmende Einfluss der Kommunistischen Partei nicht unterschätzt werden. Das musste Jack Ma, Gründer und langjähriger Chef der Alibaba Group, schmerzhaft erfahren. Nach allzu scharfer Kritik an der Wirtschaftspolitik verlor er seinen Posten praktisch über Nacht. Auch bei Evergrande dürfte nicht viel ohne, und schon gar nichts gegen die Partei gegangen sein. So manches Projekt wird daher nicht nur nach ökonomischer Sinnhaftigkeit, sondern nach politischer Nützlichkeit beurteilt worden sein.

Zweifelhafter Rekord

Die Evergrande Group hält den zweifelhaften Rekord, das am höchsten verschuldete Unternehmen der Welt zu sein. Rund 300 Mrd. USD sollen es sein, die hier im Feuer stehen. Angesichts dieser Dimensionen sieht René Benko wie ein Provinzler aus. Natürlich hätten die chinesischen Kommunisten die de-facto-Pleite am liebsten weiter vor sich hin köcheln lassen und bis zum Sankt-Nimmerleinstag verschleppt. Dagegen sperrten sich aber die ausländischen Gläubiger, die schon seit Jahren auf ihr Geld warten. Sie verklagten den ehemals größten Baukonzern Chinas vor dem Hongkonger High Court mit dem Ziel, durch eine Liquidation wenigstens einen Teil der Außenstände zu erhalten. Der Klage wurde nun stattgegeben. Evergrande wird aufgelöst – mit unabsehbaren Folgen für den chinesischen Immobilienmarkt und die Märkte insgesamt. Zumindest in China scheint man in den letzten Wochen und Monaten schon ein Gespür dafür entwickelt zu haben, dass der Wirtschaft Ungemach ins Haus steht. Die chinesischen A-Shares und der Hongkonger Hang-Seng-Index befanden sich – im Gegensatz zu fast allen anderen Weltbörsen – schon vor der Evergrande-Pleite auf Talfahrt. Außerhalb Chinas zeigten sich die Börsen unbeeindruckt – zunächst. Im Moment bewegen diese sich weiter in luftigen Höhen, jedoch mit wenig überzeugender Marktbreite.  

„Winzigweich“ ganz groß

Ein Unternehmen, das dagegen vor Kraft strotzt, ist „Winzigweich“, besser bekannt als Microsoft. Auch hier sagt der Name nichts über den Erfolg. Die gestern Abend vermeldeten Quartalsergebnisse lagen sogar noch über den bereits ambitionierten Schätzungen der Analysten. Unter anderem profitiert Microsoft von seiner Investition in OpenAI, dem Mutterkonzern von ChatGPT, also jenes Tools, das einen entscheidenden Anteil am aktuellen Hype rund um das Thema Künstliche Intelligenz hat. Vor allem kommen die Redmonder mit der Monetarisierung ihres eigenen Programms „Copilot“ voran. Hier wird während des Jahres 2024 sogar eine Beschleunigung erwartet. Eine weitere KI-basierte Monetarisierungsfantasie ergibt sich aus der bereits installierten Produktbasis. 60% der Nutzer wollten dort demnach künftig KI-Funktionen implementieren.
Dagegen hapert es aktuell bei der Alphabet-Tochter Google mit den Anzeigenumsätzen. Insgesamt lagen Umsätze und Erträge zwar über den Erwartungen, aber die Furcht geht um, dass KI-Anwendungen mehr und mehr im Kerngeschäft des Suchmaschinenriesen wildern und der Druck auf die Anzeigenerträge erhalten bleiben wird.

Vor dem Richtungswechsel?

Mit mäßiger Spannung wird die heutige Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed erwartet. Denn eigentlich ist aktuell weder eine weitere Zinserhöhung noch eine erste Zinssenkung in den Karten. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Fed nichts tun wird. Die entscheidende Frage aber bleibt, wie sie dieses Nichtstun kommentieren wird. Von der Pressekonferenz erwartet man wichtige Hinweise, weniger über die künftige Richtung – es wird allgemein mit Zinssenkungen gerechnet –, als über die Konkretisierung des Zeitplans. Wie üblich wird dabei jedes Wort des Vorsitzenden Jerome Powell auf die Goldwaage gelegt werden. In den frühen Abendstunden ist also mit erhöhter Nervosität zu rechnen. Dabei sollten das Ausmaß der Volatilität und die Vorzugsrichtung der Kurse wichtige Indikatoren für den Zustand der Märkte liefern.

Zu den Märkten

Mit ordentlichen Umsätzen konnte der DAX 40 in der Berichtswoche seine Flaggenformation nach oben verlassen. Damit wäre die Frage „Flagge oder Topbildung?“, die uns in den beiden Vorwochen beschäftigt hatte, nun eigentlich geklärt. „Eigentlich“ deshalb, weil der deutsche Leitindex erneut an einer wichtigen Entscheidungsmarke angelangt ist. Er befindet sich nun fast exakt auf jenem Allzeithoch, das er schon im Verlauf des 14.12.2023 erreicht hatte, seinerzeit aber nicht halten konnte. Auf Schlusskursbasis konnte der deutsche Leitindex zuletzt mehrere neue Allzeithochs erzielen, kraftvoll sieht das Ganze jedoch nicht aus. Die Abfolge kleiner Kerzen schreit geradezu nach einem Befreiungsschlag in Form einer größeren Bewegung. In welche Richtung diese gehen könnte, ist im Moment zwar noch offen, aber die Gefahr, dass sich hier ein Doppeltop herausbilden könnte, ist kaum von der Hand zu weisen.

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Fazit

Die schwelende chinesische Immobilienkrise ist mit der Abwicklung der Evergrande Group erneut sichtbar ausgebrochen. In Europa ist die Krise mit dem Sturz der Signa-Gruppe ebenfalls in vollem Gang.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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