Muss es schlimmer werden, bevor es besser wird?
Übergelaufenes Fass
Die erste volle Arbeitswoche des neuen Jahres begann mit mehreren Aufregern. Gleich am Montag protestierten bundesweit die Bauern. Vordergründig ging es dabei um die Kürzung der Subventionen beim Agrardiesel, dies aber war wohl nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn in der Landwirtschaft gärt es schon länger aufgrund immer neuer Vorschriften, Gängelungen und grüner Transformationspläne. Aber auch Speditionen und Teile des Handwerks solidarisierten sich. Was für die Regierung nur ein Projekt ist, wird für die Bauern und den Mittelstand zunehmend zum Problem. Unabhängig davon kann man trefflich über die Sinnhaftigkeit von Subventionen streiten. Als Austrians halten wir diese ganz grundsätzlich für falsch. Allerdings ist die europäische Agrarmarktordnung inzwischen auf der Interventionsspirale so weit nach unten abgedriftet, dass dieses bürokratische Monster schon lange nicht mehr als reformierbar erscheint.
Braver Protest mit breiter Unterstützung
Obwohl die meinungsbildenden Medien, insbesondere auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kaum etwas unversucht ließen, die Bauern als „Kartoffelmob“, umstürzlerisch, von rechts unterwandert oder gar als gewalttätig zu framen, verliefen die Demonstrationen nicht nur vorbildlich friedlich, sondern erfreuen sich in der Bevölkerung auch breiter Unterstützung. Nach diversen Blitzumfragen vom Montag lagen die Zustimmungswerte weit über 80%. Das ist bemerkenswert, denn auch die Traktorkolonnen verursachen Störungen des Alltags. Dagegen ist das Verständnis für den heute beginnenden Lokführerstreik deutlich geringer. Von den Klimaklebern gar nicht erst zu reden, von denen die Mehrheit der Menschen seit geraumer Zeit nur noch genervt ist – und dies nicht nur angesichts eisiger Minusgrade. Neben der AfD haben von den etablierten Parteien insbesondere die CSU und die Freien Wähler ihre Sympathie mit den Bauern bekundet. Zum einen sind die Landwirte dort ein wichtiger Teil der Stammwähler, zum anderen wittert man in den Bauernprotesten wohl einen Hebel, die ungeliebte Berliner Ampel-Koalition unter Druck zu setzen. Das dürfte auch die Erklärung für die breite Unterstützung der Bauern in der Bevölkerung sein, denn die Zustimmungswerte zur Ampel sind dort inzwischen auf den tiefsten Werten angekommen, die je für eine Bundesregierung registriert wurden. Auch, dass sich Robert Habeck angesichts protestierender Bauern nicht von der Fähre traute, während sich der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger nach der Münchner Bauernkundgebung in der U-Bahn unters Volk mischte, spricht Bände.
Positive Überraschung möglich?
Die Instabilität der Bundesregierung könnte rein theoretisch für den DAX noch zu einem positiven Überraschungsmoment werden. Erinnerungen werden wach an den Rücktritt des früheren Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine, den der DAX im März 1999 mit einem Kurssprung um mehr als +5% quittierte. Allerdings ist das Neuwahl-Szenario im Moment nicht sonderlich wahrscheinlich. Alle drei Regierungsparteien würden deutlich an Einfluss verlieren, die FDP müsste sogar um einen erneuten Einzug in den Bundestag fürchten. Entsprechend stotterte sich der DAX ohne diese Fantasie in das laufende Jahr, nachdem sich 2023 noch als ein insgesamt sehr gutes Börsenjahr erwiesen hatte. Dieses Phänomen ist häufiger zu beobachten. Insbesondere Trends, die sich zum Jahreswechsel beschleunigen – Stichwort: Window Dressing – werden im Januar dann erst einmal unterbrochen, wenn sie nicht gar ihr Ende finden (s.u.). Die ersten Handelstage des neuen Jahres stellten sich jedenfalls ganz anders dar als die Rekordjagd der letzten Wochen des Jahres 2023. Das lag allerdings auch an erneut aufkeimenden Zinsängsten bzw. schwindenden Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen. Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Der Januareffekt, je nach Lesart der Verlauf der ersten fünf Handelstage oder des Januars insgesamt, soll eine gewisse Prognosekraft für den Kursverlauf des restlichen Jahres haben.
Lesefutter für lau
Das Börsenjahr 2024 könnte also holprig werden. Im aktuellen Smart Investor 1/2024 widmen wir uns in der Titelstory „Kapitalmarktausblick 2024“ genau diesen Perspektiven. Dazu geben unsere Redakteure jeweils ihre heißen Tipps für das laufende Jahr ab, wobei sie sich jeweils auf ihr Spezialgebiet beziehen. In diesem Zusammenhang haben wir eine gute Nachricht für Sie, denn wir haben noch einige Restbestände dieser Ausgabe. Allen, die uns noch nicht kennen, schenken wir daher den aktuellen Smart Investor 1/2024 zum Jahresanfang – ohne weitere Verpflichtungen für Sie. Schreiben Sie einfach eine Email mit Ihrer Versandadresse an abo@smartinvestor.de und freuen Sie sich auf das Heft.
Chipdesigner im Höhenrausch
Für Aktionäre von Nvidia gibt es eine weitere gute Nachricht. Nicht nur, dass der Titel schon 2023 der Starperformer im NASDAQ-100 war, die Aktie konnte zuletzt sogar wieder neue Allzeithochs erzielen. Ein Value-Schnäppchen ist der Konzern zwar nicht, eher das Gegenteil, aber die Zuwachsraten bei Umsätzen und Gewinnen sind eindrucksvoll. Egal ob Künstliche Intelligenz, Virtual Reality oder Bitcoin, an den Prozessoren von Nvidia führt derzeit kaum ein Weg vorbei. Möglicherweise bleibt Nvidia auch im laufenden Jahr eine der inspirierenden Aktien des Tech-Sektors insgesamt. Zu etwas Vorsicht muss dennoch gemahnt werden, denn ambitionierte Bewertungen im Technologiebereich beinhalten immer auch ein Gefährdungspotenzial für den Kurs. Durchaus möglich, dass in Zukunft einer der Konkurrenten die Lücke zu Nvidia schließen und damit die Quasi-Monopolstellung bei den Spitzenchips ins Schwanken bringen wird. Der Markt ist zu attraktiv, die Renditen zu hoch, als dass die Konkurrenz nicht wenigstens versuchen würde, in die Domäne von Nvidia einzubrechen.
Phasenweise explosiv
Die Schifffahrt gilt gemeinhin als langweiliges und leicht verständliches Geschäftsmodell. Doch nichts könnte weiter entfernt von der Realität sein. Tatsächlich kennt diese Branche Booms und Crashs mit dramatischen Aktienbewegungen, die jede Kryptowährung in den Schatten stellen können. Nicht selten werden durch geopolitische Verwerfungen die Routen durcheinandergewirbelt.
Möglicherweise sehen wir gerade wieder solch ein Ereignis. Seit Mitte Dezember beschießen die Huthi-Rebellen im Jemen Frachtschiffe im Roten Meer. Dies hat dazu geführt, dass einige große Reedereien die Region nun meiden. Schiffe auf dem Weg von Ostasien nach Europa nehmen nun vermehrt den Weg über das Kap der guten Hoffnung. Das Problem dabei: die Fahrt dauert um etwa 40% länger, was zur Folge hat, dass der gesamte Markt einen größeren Bedarf an Frachtraum hat. Das wiederum lässt die Frachtraten steigen, was wiederum die Inflation weiter anheizen könnte. Schon zuletzt stieg die deutsche Inflationsrate wieder deutlicher an, was Hoffnungen auf eine baldige Zinssenkung erst einmal einen Dämpfer erteilte. Andererseits profitieren die Reedereien. Entsprechend angestiegen sind auch die Aktienkurse diverser Schifffahrtsaktien. Allerdings löste die Meldung, dass sich einige Reedereien zu Schutzgeldzahlungen an die Piraten entschlossen hätten, zuletzt wieder rückläufige Kurse aus. Das Thema bleibt spannend und wir werden uns im Musterdepot schon jetzt, zu den wieder gefallenen Kursen, positionieren.
Zu den Märkten
Wie schon angedeutet, konnte der DAX im neuen Jahr nicht dort weitermachen, wo er im letzten Jahr aufgehört hatte. Genauer gesagt, zeigte sich schon damals ein Warnhinweis (rote Markierung), der vor dem Hintergrund des vielwöchigen steilen Aufwärtstrends ernst zu nehmen war. Gleich am 2. Januar versuchte der DAX noch einmal einen Anlauf auf die Widerstandslinie durch die letzten Allzeithochs, scheiterte aber noch während der Sitzung. Die erreichten Kurshöhen verlockten damit innerhalb weniger Handelstage zum zweiten Mal zu deutlichen Gewinnmitnahmen. Am zweiten Handelstag erfolgte dann sogar ein kleiner Kursrutsch. Damit zeigt sich im DAX mit dem Jahreswechsel ein charakteristischer Wechsel in der Art des Kursgeschehens. Auch wurde der sehr steile Aufwärtstrend seit Ende Oktober 2023 gebrochen. Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass der deutsche Leitindex nun zwangsläufig auf Tauchstation gehen muss, eine Konsolidierung wäre nach der jüngsten Rally allerdings mehr als verdient. Im Moment ist das Kursgeschehen – auch aufgrund der leicht rückläufigen Umsätze – noch mit einer Flaggenformation kompatibel, die lediglich ein Zwischenspiel wäre und sich letztlich trendbestätigend nach oben auflösen würde.
Musterdepots & wikifolio
In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute den zweiten Teil unserer Einschätzungen zum Musterdepot während des vergangenen Jahres, neue Käufe, sowie ein Update zu unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. Die große Monatsübersicht inklusive Übersichtstabellen finden Sie in der Ausgabe 50/2023. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.
Fazit
Nicht ganz unerwartet konnte der DAX im neuen Jahr erst einmal nicht an die Erfolge der Jahresendrally 2023 anschließen. Das muss nicht so bleiben, denn die Zeichen stehen für das weitere Börsenjahr gar nicht so schlecht. Insbesondere dürften die Hoffnungen auf eine Zinssenkung wieder Auftrieb erhalten. Die politische Situation in Deutschland bleibt dagegen unübersichtlich, wobei uns ein Regierungswechsel trotz des Drucks der Bauern eher unwahrscheinlich erscheint.
Ralf Flierl, Ralph Malisch
Hinweis auf mögliche Interessenkonflikte:
Ein mit “*“ gekennzeichnetes Wertpapier oder ein Derivat darauf wird zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Publikation oder der Smart Investor Printausgabe von mindestens einem Mitarbeiter der Redaktion gehalten.
Abonnements:
Unsere Smart Investor Abonnements finden Sie hier.
Das Magazin:
Das aktuelle Smart Investor Magazin finden unsere Abonnenten hier.
E-Mail-Versand:
Sollten Sie den E-Mail-Versand abbestellen wollen, so benutzen Sie bitte den Abmelde-Link unter dem Newsletter bzw. schicken uns eine E-Mail mit dem Betreff “Abbestellen des SIW” an weekly@smartinvestor.de.
Unsere Datenschutzerklärung finden sie hier.
Die Charts wurden erstellt mit stock3 und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Mittwochnachmittag.
Unsere Depotempfehlung: das Depot von smartbroker.de. Bereits ab 0 € Gebühren Wertpapiere handeln.