Smart Investor im Gespräch mit dem Buchautor Michael Brückner über Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs)
Kapitalschutz
Smart Investor: Herr Brückner, die Medien greifen das Thema CBDC immer häufiger auf. Wofür steht dieses Kürzel und was genau muss man sich darunter vorstellen?
Brückner: Das Akronym CBDC steht für Central Bank Digital Currency, also Digitales Zentralbankgeld. Wenn z.B. der digitale Euro in ein paar Jahren kommen dürfte, wird er von der EZB ausgegeben. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen die CBDCs oft als eine Art Kryptowährung, ähnlich dem Bitcoin. Tatsächlich aber ist das Digitale Zentralbankgeld alles andere als „krypto“. Zwar basieren die meisten der schon eingeführten bzw. geplanten CBDCs auf der Blockchain-Technologie – doch in diesem Zusammenhang muss zwischen der zentralen und dezentralen Blockchain unterschieden werden. Die führenden Kryptowährungen, allen voran der Bitcoin, basieren auf der dezentralen Blockchain-Technologie. Das heißt: Alle über die Blockchain getätigten Transaktionen sind dezentral auf den unterschiedlichen Geräten der User parallel gespeichert. Durch Verschlüsselungstechniken wird den Nutzern weitgehende Anonymität gewährt. Anders verhält es sich bei den CBDCs, welche über eine zentrale Blockchain direkt von den betreffenden Notenbanken gesteuert werden.
Smart Investor: Oft heißt es, CBDCs seien einfach nur digitalisiertes Bargeld. Stimmt das?
Brückner: Es ist zu vermuten, dass die CBDCs das Bargeld mittel- bis langfristig ersetzen werden, auch wenn das die Protagonisten bislang noch vehement bestreiten. Der entscheidende Unterschied zwischen Bargeld, wie wir es kennen, und CBDCs ist aber, dass nur Münzen und Geldscheine völlig anonyme Bezahlvorgänge erlauben. Wir können – salopp formuliert – mit unserem Geld machen, was wir wollen. Digitales Zentralbankgeld hingegen hinterlässt immer Spuren.
Smart Investor: Wie ist der Stand bei der Realisierung solcher CBDCs?
Brückner: Derzeit arbeiten in mindestens 120 Staaten Regierungen und Notenbanken an Digitalem Zentralbankgeld. Weit fortgeschritten ist der Prozess in China. Dort sollen bereits rund 260 Millionen Menschen mit dem digitalen Renminbi (E-CNY) arbeiten. Auch in einigen karibischen Staaten, z.B. in Jamaika und auf den Bahamas, wurde bereits Digitales Zen-tralbankgeld eingeführt; ebenso in Nigeria, wo der E-Naira aber geradezu boykottiert wird: Nur 0,5% der Bevölkerung nutzen das ungeliebte Zentralbankgeld.
Smart Investor: Und wie weit sind die Pläne im Euroraum gediehen?
Brückner: Sehr weit. Seit Anfang November arbeitet die EZB bereits das Regelwerk, die Plattform und Infrastruktur aus. Der digitale Euro wird kommen – ob schon 2026 oder erst 2028, ist in diesem Kontext unerheblich.
Smart Investor: Warum braucht es denn Digitales Zentralbankgeld bzw. welche Begründung wird den Menschen dafür geliefert?
Brückner: Wo der Vorteil für die Menschen liegen soll, hat sich mir noch nicht erschlossen; ich sehe nur Nachteile. Brauchen wir CBDCs eigentlich? Nein, wir brauchen sie nicht. Wer digital zahlen möchte, kann das mit seiner Kreditkarte, der EC-Karte (Girocard) oder seinem Smartphone. Und jeder, der möchte, kann längst mit den wahren Kryptos, also Bitcoin & Co., arbeiten. Den Menschen wird natürlich wieder der übliche Unsinn erzählt: Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerbetrug etc. Außerdem seien CBDCs weitaus weniger volatil als die dezentralen Kryptos. Das mag sein – doch wer Volatilität fürchtet, kann ja seine Finger von Bitcoin & Co. lassen.
Smart Investor: Kürzlich ist Ihr Buch mit dem Titel „Digitale Zentralbankwährung“ erschienen, in welchem Sie sich sehr kritisch mit dem Thema beschäftigen. Welches sind Ihre wichtigsten Punkte?
Brückner: Die Digitale Zentralbankwährung ist programmierbar. Sie wird zu einem staatlichen Kontroll- und Überwachungsin-
strument. Dass China der Pionier bei der Entwicklung von CBDC ist, kann nicht überraschen. Die Möglichkeiten, die eine programmierbare Digitale Zentralbankwährung bietet, muten geradezu dystopisch an. Beispielsweise kann zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes den Menschen ein gewisses CO2-Kontingent zugewiesen werden. Auch eignen sich CBDCs, um die Menschen zu einem vom Staat gewünschten Konsumverhalten zu erziehen.
Smart Investor: So etwas lässt sich vielleicht in China durchsetzen. Glauben Sie wirklich, die europäischen Regierungen haben Ähnliches im Sinn?
Brückner: Wenn solche Instrumente zur Verfügung stehen, werden sie auch genutzt. Ich erwähne in diesem Zusammenhang immer wieder die automatisierte Kontenabfrage, also die behördliche Schnüffelei in unseren Bankkonten. Als dieses Instrument 2005 eingeführt wurde, gab es gerade einmal 9.000 Kontenprüfungen. Im vergangenen Jahr wurde in rund 294.000 Fällen in Konten und Depots geschnüffelt.
Smart Investor: Welche Rolle spielen hier die BRICS-Staaten, welchen ja von nicht wenigen Beobachtern eine Ablösung des dollarzentrierten Finanzsystems zugetraut wird?
Brückner: Letztlich bereiten die BRICS-Staaten auch nichts anderes vor als eine Digitale Zentralbankwährung. Sie könnte 5R heißen, nach den Anfangsbuchstaben der Landeswährungen der bisherigen fünf BRICS-Staaten, also Real, Rubel, Rupie, Renminbi und Rand. Aus meiner Sicht ist das keine Alternative, sondern nur eine Variante. Interessant ist allenfalls die Idee, die BRICS-CBDC mit Gold zu unterlegen.
Smart Investor: Was, wenn die Zentralbanken ihre Vorhaben wie geplant umsetzen? Auf welches Szenario müsste man sich dann einstellen?
Brückner: Angenommen, die EZB führt den digitalen Euro zunächst für private Verbraucher ein. Dies wäre auch ohne Blockchain möglich. Die Europäer könnten dann bei ihrer Bank ein digitales Euro-Bankkonto eröffnen. Theoretisch denkbar sind auch Konten bei der EZB, doch fürchtet man dort eine neue Bankenkrise, wenn viele Kunden ihre Einlagen von ihren Hausbanken an die Zentralbank überweisen. Der digitale Euro wird in einer elektronischen Geldbörse verwahrt, z.B. in Form einer Wallet-App im Smartphone. Damit können die Verbraucher etwa ihre Einkäufe bezahlen. Händler in der gesamten Eurozone wären dann verpflichtet, den digitalen Euro zu akzeptieren.
Smart Investor: Sehen Sie Möglichkeiten, sich den genannten Entwicklungen zu entziehen?
Brückner: Vielleicht sollten wir uns so verhalten wie die Menschen in Nigeria, die dem Digitalen Zentralbankgeld einfach die kalte Schulter zeigen und weiter auf Bargeld setzen. Wo immer es möglich ist, bezahle auch ich ostentativ mit Bargeld. In Nigeria wurde die Digitalwährung ein Reinfall erster Klasse.
Smart Investor: Herr Brückner, haben Sie vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Michael Brückner arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist und Buchautor in Mainz und Lindau (Bodensee). Vor
seiner Selbstständigkeit war er u.a. Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins Europa sowie eines Immobilienfachmagazins.
Neue Rubrik
Mit dieser Ausgabe starten wir die neue regelmäßige Rubrik „Kapitalschutz“, um den immer drängenderen Fragen zu diesem Thema Genüge leisten zu können.