Gastbeitrag von Tanguy de Kerviler, Société de Gestion Prévoir
Kolumne
Für wachstumsorientierte Nebenwerte in Europa war 2023 erneut ein schwieriges Jahr. Der SDAX notierte jüngst auf einem Sechsmonatstief. Auch andere Nebenwerteindizes weisen eine massive Underperformance gegenüber den vermeintlich sicheren Blue Chips auf. Eine starke Ausrichtung auf die wenig inspirierende europäische Konjunkturlage, die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft (besonders bei exportorientierten Werten), hohe Multiples vor dem Hintergrund steigender Zinsen und nach unten korrigierten Schätzungen – der Sturm, der 2022 begonnen hat, setzt sich auch 2023 fort.
Rückkehr des Gewinnmomentums?
Aber noch ist nicht aller Tage Abend, denn die jüngsten Inflationszahlen scheinen zu zeigen, dass der Zinsgipfel hinter uns liegt. Der lang erwartete Wendepunkt oder eine Pause in der Geldpolitik scheint näher zu rücken. So deuten die Makrodaten des dritten Quartals immer noch auf eine Verlangsamung der Wirtschaft hin. Die Effekte des Lager-abbaus nach der Corona-Krise, die das Wachstum 2023 verlangsamt haben, lassen nach und die jüngsten Inflationszahlen sind beruhigend. Jetzt muss nur noch das Gewinnmomentum bei den Small Caps zurückkehren – und in dieser Hinsicht besteht Anlass zur Hoffnung!
Attraktive Bewertungen
Nach einer Welle von Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen und starken Kursrückgängen sind die Bewertungen auf ein interessantes Niveau gefallen. Bei einigen Titeln sind sie sogar absolut nicht nachvollziehbar! Sollte sich das Momentum der Gewinnrevisionen umkehren, dürften die Kurse steigen. Doch das ist noch nicht der Fall; die Bewertungsmultiplikatoren sinken sogar weiter. Dennoch sind die ersten Anzeichen in diesem Winter recht günstig, die Berichtssaison ist nicht so katastrophal wie befürchtet. Es braucht anscheinend noch etwas Zeit, da die durch die Zinserhöhung erzeugte hohe Risikoaversion die Liquidität abschöpft. Die Liquiditätsknappheit führt zu einer sehr hohen Volatilität und zahlreichen Anomalien. Das Übel hängt mit vielerlei Faktoren zusammen: verstärkte Allokation von Anleihen, passive Investments, Schwächen in der Finanzanalyse usw. Gleichzeitig beginnen die Zentralbanken, ihre Bilanzen zu verkleinern. Abgesehen von den Auswirkungen dieses Liquiditätsentzugs, der wahrscheinlich übertrieben war, zwingt die Botschaft, dass sich der Kreditgeber der letzten Instanz vom Markt zurückzieht, die Finanzinstitute dazu, Risiken in ihren Bilanzen abzubauen. Die Folge ist eine weitere Verknappung der Liquidität für riskantere Anlagen. So kam es, dass z.B. Werte wie Sanofi etwa 19% verloren oder Worldline an einem Tag von 6,5 Mrd. auf 2,7 Mrd. EUR Marktkapitalisierung gefallen ist!
Fazit
Anomalien bedeuten auch Chancen. Wenn die Börse die Arbeit nicht erledigt, erledigen sie andere. So fanden in diesem Jahr bereits zahlreiche Übernahmen und Aktienrückkäufe bei börsennotierten Nebenwerten statt (GK SOFTWARE, ESI Group, Uponor, STEICO etc.). Sobald die Aussicht auf eine Stabilisierung der Zinsen eintritt, dürften die Finanztransaktionen wieder erwachen. Der Tiefpunkt ist wahrscheinlich nicht weit entfernt oder liegt bei den kleinen Werten sogar hinter uns. Fundamental günstige Nebenwerte bieten mutigen Anlegern mit einem mittelfristigen Investmenthorizont gute Einstiegschancen.
Tanguy de Kerviler ist Absolvent der EM Lyon und der SFAF sowie Inhaber des CESGA. Er begann seine Karriere in der Vermögensverwaltung einer großen Versicherungsgruppe. Nach acht Jahren wechselte er Ende 2001 zu CA Cheuvreux (CA CIB), dann zu Credit Suisse. 2019 kehrte er in die Vermögensverwaltung der CDC Croissance zurück, einer Tochtergesellschaft der Caisse des Dépôts, die sich auf kleine und mittlere Werte konzentriert. 2022 wurde er bei Prévoir Asset Management zum Fondsmanager des Fonds Prévoir Perspectives (WKN: A1XCQU) berufen.