Auch zum diesjährigen Tag der deutschen Einheit wurde viel über das Ende der DDR und die Geschichte des Mauerfalls gesprochen und geschrieben – doch erneut fehlte Wesentliches.
Wenig überraschend war auch der diesjährige Tag der deutschen Einheit Anlass für eine Vielzahl von Reden auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen. In diversen Print- und Onlinemedien wurde darüber berichtet und kommentiert.
Dabei werden im Wesentlichen die folgenden Gründe für das Ende der DDR und den Mauerfall genannt:
- Die friedlichen Revolutionäre der DDR
- Die Menschen in Osteuropa
- Michail Gorbatschows neue Politik in Moskau
- Ronald Reagans Unterstützung
- Das Vertrauen der europäischen Nachbarn
Zweifelsohne hat jeder diese Punkte seinen Anteil. Aber bemerkenswert an dieser Aufzählung ist ein großer blinder Fleck – die fehlende Benennung eines Faktors, dessen Bedeutung kaum unterschätzt werden kann: Die Planwirtschaft der DDR war gescheitert!
Es darf als Glücksfall der Geschichte bezeichnet werden, dass mit dem sogenannten Schürer-Bericht ein als „Geheime Verschlusssache“ gekennzeichnetes Dokument vorliegt, welches das Scheitern der Planwirtschaft der DDR kurz vor dem Mauerfall dokumentiert.
Gerhard Schürer war von 1965 bis 1989 Vorsitzender der Staatlichen Plankommission der DDR und legte am 30.10.1989 gemeinsam mit anderen Autoren eine Vorlage für das Politbüro des Zentralkomitees der SED mit dem Titel „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen“ vor.
Hier einige Punkte aus diesem Dokument in Kürze:
- Es fehlten materielle und finanzielle Anreize
- Das Leistungsprinzip konnte nicht gesichert werden
- Es gab ein Missverhältnis zwischen „Überbau“ und produktiver Basis
- Wichtige Bereiche der Versorgung der Bevölkerung wurden vernachlässigt
- Geringe Investitionen
- Investitionen in falsche Bereiche
- Mangelerscheinungen im Angebot
- Die eigene Planung wird „in bedeutendem Umfang nicht erfüllt“
Die Kernbotschaften sind der Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit der DDR und die Einsicht, dass „ein funktionierendes System der Leitung und Planung“ nicht gegeben war. Das „ungeschminkte Bild“ zeigt: „Das bestehende System der Leitung und Planung hat sich … nicht bewährt, da ökonomische und Preis-Markt-Regelungen ausblieben“.
Es sei in Erinnerung gerufen, dass dieser Bericht keine Beschreibung aus der Feder des „kapitalistischen Feindes“ war, sondern eine Einschätzung der staatlichen Plankommission, also jener Institution, welcher die Aufgabe der staatlichen Planung und deren Kontrolle oblag.
Mit anderen Worten: Die DDR-Wirtschaftsplaner selbst mussten zugeben, dass zentrale Planung der Wirtschaft nicht funktioniert – ohne Marktwirtschaft geht es nicht.
„Sozialistische Planung zum Wohle des Volkes“ ist eine Illusion. Jede zentrale Wirtschaftsplanung scheitert unvermeidlich. Die Vertreter der österreichischen Schule haben die Gründe dafür schon lange vor dem Fall der Mauer beschrieben. Der handelnde Mensch in seiner Individualität und Subjektivität, das Wissensproblem (die Anmaßung von Wissen) sowie die Unmöglichkeit einer Wirtschaftsrechnung beim Fehlen von Marktpreisen führen unweigerlich zum Scheitern jedweder zentralen Planung – unabhängig davon wie diese benannt wird, wer diese durchführt oder aus welchen Motiven heraus diese erfolgt.
Die Sowjetunion unter Stalin, China unter Mao Tse-Tung, Kuba unter Fidel Castro, Nordkorea unter Kim Il Sung, Kambodscha unter den roten Khmer, Albanien unter Enver Hoxha, Venezuela unter Hugo Chàvez oder die DDR-Geschichte bis zum Mauerfall sind insofern „nur Beispiele“. Tragische Beispiele die viel Not und für zahlreiche Menschen auch den Tod bedeuteten.
Es wäre schön, wenn die Erinnerung an das Ende der DDR und den Mauerfall dazu beiträgt sich bewusst zu machen, dass jeder einzelne Mensch mit seinen Handlungen etwas ändern kann. Jeder einzelne Mensch kann dem Wiedererstarken der alten roten oder braunen sozialistischen Ideen genauso entgegentreten, wie dem Aufkommen der neuen grünen Planwirtschaft.
Das Wissen um die Wirkmacht der eigenen Handlungen in Verbindung mit der Einsicht, dass die Intensität, die Etikettierung, die Klugheit der Planer oder die politischen Motive nichts daran ändern, dass zentrale (politische) Planung ihr Ziel nicht erreichen kann, führt so vielleicht zu einer Neuausrichtung des persönlichen Engagements.
Der Glaube an die zentrale (politische) Planbarkeit von Wirtschaft und Gesellschaft – ob dieser nun einen roten, braunen oder grünen Anstrich hat – wird immer und immer wieder durch die Realität erschüttert. Den Sozialismus in seinem Lauf hält stets die nächste Pleite auf.