Ethisch oder nicht?!

Titelbild: © Sergey Nivens – stock.adobe.com

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Hintergründe und Irrungen eines Mega-Trends

Rücksetzer verschiedenster Art

Kaum füllten sich die Kommentarspalten zum Revival von Edelmetallen und Bitcoin ging es in beiden Bereichen während der Berichtswoche erst einmal wieder bergab. Die Ursachen sind allerdings höchst unterschiedlich und damit auch die Einschätzung des weiteren Kursgeschehens.

Beim Bitcoin sind es vor allem Vorstöße und Rückschläge der Finanzindustrie in Sachen Bitcoin-ETFs, welche zuletzt regelrechte Kurswechselbäder erzeugten. Nachdem die US-Börsenaufsicht SEC am 29.8. von einem Berufungsgericht zur Prüfung des Grayscale-Antrags auf Umwandlung des dortigen Bitcoin-Investmentfonds in einen direkten Bitcoin-ETF verurteilt wurde, keimte Hoffnung auf. Der Bitcoin schoss kräftig in die Höhe (vgl. Smart Investor Weekly vom 30.8.2023). Doch schon zwei Tage später, am 31.8., goss die SEC erneut Öl in die Wogen und verschob ihre Entscheidungen zu mehreren Anträgen auf Zulassung von Bitcoin-ETFs um 45 Tage. Betroffen waren namhafte Akteure wie BlackRock, VanEck und WisdomTree. Die Folge: Der Bitcoin büßte die Gewinne des Vorvortags wieder komplett ein. Damit bleibt er mittelfristig erst einmal weiter im Abwärtstrend.

Anders sieht es bei Gold und Silber aus, die ihren Anstieg der beiden Vorwochen verdauen. Die Chancen stehen hier gar nicht schlecht, dass der Faden steigender Kurse bald wieder aufgenommen wird. Zudem ist das Kursgeschehen in eine komplexe Konsolidierungsbewegung eingebettet, die nun immerhin schon seit Ende April 2023 andauert. Diese folgte ebenfalls einem kräftigen Aufwärtsschub. Mit einem erfolgreichen Abschluss der Konsolidierungsformationen auf beiden Zeitebenen steigt die Wahrscheinlichkeit für einen deutlichen Aufwärtsschub in diesem Bereich. Auch fundamental bleibt Gold die Alternative zu Fiatgeld-Positionen, die weiter beständig an Kaufkraft verlieren.

Gold ist „rechts“

Das allerdings sieht längst nicht jeder so. Jüngst stellte der Zwangsgebühren-Komiker Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ Gold in die rechte Ecke. Auch sei das Horten von Gold eine typisch deutsche Eigenschaft. Wir kennen das von deutschen Institutionen wie der Bank of China oder der Federal Reserve, die jeweils auf Goldhorten hocken, die selbst Alberich als Hüter des Nibelungenschatzes hätten erblassen lassen. In der Storyline Böhmermanns wurden dann Degussa, der im Jahr 2021 verstorbene Baron August von Finck, der frühere Degussa-Geschäftsführer Dr. Markus Krall und natürlich die AfD in einen Topf geworfen. Dann wurde kräftig umgerührt und es kam heraus, was herauskommen sollte: Gold ist „Pfui“. Der „Stern“ sprang auf den Zug auf und schrieb über den „Wahn nach Gold“. Nicht nur, dass beide Magazine in der Vergangenheit weder durch besondere Wirtschaftskompetenz im Allgemeinen noch durch eine fundierte Geldtheorie im Besonderen aufgefallen waren, schon die Grundidee verfängt nicht, denn es gibt kaum eine Anlageidee, die internationaler und in mehr Ländern der Erde akzeptiert wäre als Gold. Dagegen sieht so manche nationale (!) Währung wie der US-Dollar oder eine politische Kunstwährung wie der Euro ziemlich alt aus. Je mehr die herrschenden Fiat-Geldsysteme sich ihrem Ablaufdatum nähern, desto häufiger werden wir mediale und sonstige Angriffe auf Gold erleben, egal wie sehr man sie an den Haaren herbeiziehen muss. Gold war lange vor dem US-Dollar oder dem Euro ein hochgeschätzter Wertspeicher, sogar lange bevor es Rechte und Linke gab – und das wird auch noch eine Weile so bleiben. In der Geschichte des Goldes sind das ZDF, Jan Böhmermann und was dieser für Satire hält, nicht einmal eine Randnotiz.

Schmuddelkinder der Geldanlage

Die Politisierung der Geldanlage ist allerdings auch unabhängig vom jüngsten Gold-Bashing seit Jahren in vollem Gange. Lesen Sie hierzu bitte auch die kritischen Anmerkungen von Smart Investor-Chefredakteur Ralf Flierl, der im Editorial der aktuellen Ausgabe 9/2023 (frei verfügbar für alle Leser) kritisiert, dass wesentliche echte Themen der Geldanlage wie die Demografie dagegen nur am Rande wahrgenommen werden. In Deutschland gelten etwa seit Jahren Unternehmen als regelrechte Schmuddelkinder, die im Bereich Kernenergie arbeiten. Diese wohlfeile Scheinmoral kann man sich leisten, wenn man seinen Atomstrom nicht mehr selbst produziert, sondern aus der Nachbarschaft bezieht. Außerhalb Deutschlands ist der Trend zur Kernenergie dagegen ungebrochen. Sie wurde zuletzt sogar in die EU-Taxonomie aufgenommen – ein Vorgang, der im deutschen Blätterwald natürlich nicht berichtet werden konnte, ohne ihn zumindest durch das Adjektiv „umstritten“ abzuwerten. Was im Lande der moralisierenden Fernseh-Clowns allerdings als „umstritten“ zu gelten hat, scheint in der Welt immer weniger zu interessieren, und das ist auch gut so. Dass Anlagen in diesem Bereich wirtschaftlich erfolgreich waren, kann man z.B. an der Kursentwicklung unseres Musterdepotwerts Cameco (WKN: 882017) ablesen. Dem Thema Uran haben wir im aktuellen Smart Investor 9/2023 übrigens mit dem Beitrag „Morgendämmerung im Uransektor“ (frei für alle Leser) ein Follow-Up gewidmet, nachdem wir uns schon in Ausgabe 4/2022 den grundsätzlichen Investment-Case Uran angesehen hatten.

Waffen töten …

Wie wandelbar ethische Grundsätze sind, lässt sich am Beispiel der Rüstungsindustrie nachvollziehen. Niemand mit einwandfreiem Moralkompass dachte auch nur daran, in die Aktien eines Rüstungsherstellers wie Rheinmetall (WKN: 703000) zu investieren, denn: Waffen töten Menschen! Daran hat sich seit dem Ukrainekrieg zwar nichts Grundsätzliches geändert, allerdings brummen seitdem die Geschäfte der Panzerschmiede. Und siehe da: Plötzlich ist die Produktion von Waffen nicht länger zu beanstanden und deren Lieferung in Kriegsgebiete sogar ein geradezu ethisches Gebot, denn: Waffen töten … Russen! Es fällt schwer, angesichts dieser moralischen Flexibilität nicht sarkastisch zu werden.

Der Markt und seine Feinde

Auch im Bereich des „ethischen Investierens“ lohnt sich also ein zweiter Blick, wenn man nicht nur an der Oberfläche schwimmen, sondern sich ernsthaft eine kritische zweite Meinung bilden will, wie Sie das vom Smart Investor gewohnt sind. Denn auf den ersten Blick klingt das, was mit ESG – Environmental, Social, Governance – gemeint ist, doch nach einer schönen neuen Investmentwelt, in der auch jene Interessen Gehör und Berücksichtigung finden, die ansonsten zwischen den Zahlenkolonnen von GuV und Bilanz gerne einmal untergehen. Auch der von WEF-Chef Klaus Schwab propagierte „Stakeholder-Kapitalismus“ weist in diese Richtung. Allerdings wusste schon der Romanautor Aldous Huxley, dass nicht überall, wo „Schöne neue Welt“ draufsteht, auch eine lebenswertere Zukunft drinsteckt. Grund genug für uns, das Thema einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Was wir dabei herausgefunden haben, insbesondere auch zu den Ursprüngen und den heutigen Treibern der ESG-Agenda, lesen Sie in der Titelgeschichte „ESG – Der Markt und seine Feinde“ im aktuellen Smart Investor 9/2023.

Immo-Land, abgebrannt?!

Auch im neuen Smart Investor 10/2023, der Ende September erscheint und an dem wir gerade mit Hochdruck arbeiten, packen wir wieder ein heißes Eisen an. Diesmal geht es, wie traditionell in der Oktober-Ausgabe, um ein Update zum Immobilienmarkt und vor allem zu Immobilienaktien. Unsere in den letzten Jahren zunehmend skeptischere Haltung zum Betongold hat sich nicht nur bestätigt, die Lage ist sogar noch schlechter geworden als erwartet. Während wir einen chronisch klammen Staat als natürlichen Gegner großer Vermögenswerte wie Immobilien identifiziert haben (Stichwort: Zwangshypotheken), wurde der Markt zunächst durch eine sehr viel stärker als erwartete Zinswende aus der Spur gebracht. In dieser fragilen Situation fällt der Bundesregierung, namentlich Wirtschaftsminister Habeck, nichts Klügeres ein, als direkt nach der Sommerpause unverdrossen das sogenannte Heizungsgesetz voranzutreiben. Abgewürgt ist die Neubaukonjunktur bereits und dürfte nach der Verabschiedung dieses Gesetzes weiter auf Tauchstation bleiben. Eine Wirtschaftspolitik, die derart tief und sprunghaft in das Eigentum der Menschen eingreift, führt naturgemäß zu äußerster Zurückhaltung der Investoren.

Allerdings sind Probleme am Wohnungsmarkt kein spezifisch deutsches Phänomen. Der chinesische Immobilienmarkt ist gekennzeichnet durch falsch gesetzte Anreize, Überinvestitionen und eine massive Verschuldung. Entsprechend sind Immobiliengiganten wie China Evergrande und Country Garden massiv unter Druck geraten. Evergrande, immerhin der zweitgrößte Immobilienkonzern des Landes, war erst im August an die Börse zurückgekehrt, wo die Aktien sofort wieder nach Süden liefen. In den USA musste sogar Gläubigerschutz beantragt werden. Country Garden kam unter Abgabedruck, nachdem das Unternehmen bekannt gab, seine Schulden nicht bedienen zu können. Zuletzt wirkten zwar Stützungskäufe, aber die Grundprobleme bleiben ungelöst. Auch mit dieser Thematik werden wir uns in der Oktober-Ausgabe des Smart Investor beschäftigen.

Zu den Märkten

Der DAX tut sich weiter schwer. Zwar geht das tendenziell anregungsarme Sommerloch langsam zu Ende, aber bevor das saisonal tendenziell positive Winterhalbjahr anschließt, muss erst einmal der September halbwegs unbeschadet überwunden werden. Im Chart sehen wir ein geradezu lehrbuchmäßiges Abprallen des Index an jener Aufwärtstrendlinie, die wir bereits in der Vorwoche thematisiert haben. Dies ist ein Indiz dafür, dass diese Linie am Markt auch allgemein Beachtung fand. Dennoch befindet sich der DAX weiter in der Schiebezone zwischen ca. 15.500 und 16.500 Punkten, die sich in der Rückschau durchaus als Top-Formation („broadening top“) erweisen könnte. Einer der langedienten Investmentstrategen traut dem Braten ebenfalls nicht mehr. Der frühere DWS-Chef und heutige Fondsmanager Klaus Kaldemorgen sieht die Wahrscheinlichkeit für eine deutliche Korrektur an den Aktienmärkten bei mehr als 50%. Die Größenordnung einer solchen Korrektur prognostiziert er laut Handelsblatt mit ca. -10%, wobei er die Kurse am Jahresende dann wieder höher sieht. Ein herbstlicher Kursrutsch wäre demnach eine gute Einstiegsgelegenheit. Auch Nouriel Roubini erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine Korrektur von rund -10%, was für seine Verhältnisse allerdings fast schon eine optimistische Prognose ist. Roubini machte in der Vergangenheit oft durch spektakuläre Crash-Prognosen auf sich aufmerksam.
Wenn prominente Marktteilnehmer fast zeitgleich eine Kursbewegung in ähnlicher Höhe erwarten, sollte dieser Fall unwahrscheinlicher werden. Zu viele Marktteilnehmer stellen sich ja bereits auf die Prognose ein, sobald sie auftaucht und als plausibel angesehen wird. Es würde uns also nicht wundern, falls eine Korrektur deutlich stärker ausfällt, bevor es wieder nach oben gehen kann. Die Alternative, die uns dagegen schlechter begründbar erscheint, ist ein Ausbleiben der Korrektur. Sollten die Notenbanken schon jetzt langsam von der Zinsbremse steigen, wäre das allerdings denkbar. Unter ernsthaften Handlungsdruck kämen die Zentralbanker aber wohl erst nach einem herben Rückschlag am Aktienmarkt.

Auf Tuchfühlung mit innovativen Ideen

Am 30.9. erwartet interessierte Anleger ein echtes Konferenz-Highlight. Die Veranstaltungsreihe „World of Value“ ist aus dem Jahresreigen nicht mehr wegzudenken. Hier bekommen Sie jene Experten zu hören, die im Mainstream zunehmend verstummen bzw. „verstummt werden“. Und Sie bekommen diese nicht nur zu hören, im zwanglosen Beisammensein haben Sie auch ausreichend Gelegenheit Fragen zu stellen und mit anderen Anlegern zu netzwerken. Auf der ganztägigen Veranstaltung mit der Option zur Teilnahme an einem exklusiven Dinner-Roundtable erwarten Sie unter anderem Risikoexperte Dr. Markus Krall, der Professor für Wirtschaftspolitik Gunther Schnabel, Goldexperte Mathew Piepenburg oder der Jurist, Philosoph, Publizist Carlos A. Gebauer sowie weitere bekannte Referentinnen und Referenten mit innovativen Ideen. Eine Anzeige zu dieser Veranstaltung finden Sie auch auf der rückwärtigen Umschlagseite des aktuellen Smart Investor 9/2023 – inklusive eines Rabatt-Coupons über 20% der Tagungsgebühr.

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Musterdepots & wikifolio

In der Rubrik Musterdepots & wikifolio finden Sie heute ein Update zu unserem Musterdepotwert Berkshire Hathaway sowie einen Kurzbericht zu unserem wikifolio „Smart Investor – Momentum“. In der Ausgabe der Woche 34 ist unsere monatliche Musterdepottabelle (per Klick zu vergrößern) und die Transaktionsliste des Vormonats enthalten. Im Musterdepotbereich können Sie sich durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die Transaktionen der letzten Wochen verschaffen. Um diesen Bereich lesen zu können, müssen Sie Abonnent des Smart Investor Magazins sein und sich auf der Smart-Investor-Website einloggen. Sollten Sie Ihr Passwort vergessen haben, fordern Sie bitte ein neues bei abo@smartinvestor.de an.

Fazit

Mit der Ethik beim Investieren ist es so eine Sache. Oft verbirgt sich dahinter nur eine Weltanschauung, die höchst subjektiv ist und eben keinen Anspruch auf allgemeingültiges ethisches Handeln erheben kann; manchmal sind es auch nur handfeste Geschäftsinteressen, denen ein Ethik-Mäntelchen übergestreift wird.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

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