„Fallende Zinsen in den nächsten Jahren sind nicht selbstverständlich“

Dirk Stöwer

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Interview

Smart Investor im Gespräch mit Dirk Stöwer, KSAM, über einen neuen Rentenfonds, Diversifikation im Obstgarten und Digitalisierung im Assetmanagement

Smart Investor: KSAM hat mit dem REBO FLEX einen neuen Rentenfonds mit Fokus Unternehmensanleihen aufgelegt. Wie stellen Sie sich dort auf?
Stöwer: Mit Renditen knapp unter 4%, auch für gute Schuldner, ist die Verzinsung in diesem Sektor sehr attraktiv. Beim Portfolioaufbau konzentrieren wir uns überwiegend auf mittlere Laufzeiten und Namen, die man auch von klassischen Value-Fonds kennt, z.B. McDonald’s, L’Oréal, Linde oder Porsche. Im Fall von negativen Überraschungen durch die Inflation könnte es durchaus nochmals Druck auf das lange Laufzeitende geben. Der Fonds eignet sich für konservative Anleger, die den Kaufkraftschwund abfedern möchten, aber Aktienschwankungen fürchten. Durch die hohen Mindestsummen bei Unternehmensanleihen von meist 100.000 EUR ist dieser lukrative Sektor vielen Pri­vatanlegern sonst leider nicht zugänglich.

Smart Investor: Im Fonds KSAM-Value² und im NESTOR Europa stehen Aktien im Fokus. Welche Kriterien müssen Unternehmen erfüllen, um für die Fonds infrage zu kommen?
Stöwer: Das überragende Hauptkriterium ist derzeit die Widerstandskraft des Geschäftsmodells. KI führt zur Digitalisierung 2.0 – insofern müssen alle Engagements kritisch unter diesem Blickwinkel durchleuchtet werden. Die französische Teleperformance wurde aus diesem Grund bereits wieder aussortiert, obwohl sie erst vor wenigen Monaten erworben worden war. Wir haben uns diesen Fehlgriff eingestanden, das gehört leider dazu. Auf der anderen Seite finden sich Titel, für die sich das Umfeld spürbar verbessert hat, z.B. für Adobe oder Cisco. Die digitale Welt erobert immer größere Anteile der analogen Wertschöpfung, klassische Value-Kennziffern führen daher vermehrt in die Irre. KI bietet Unternehmen der „alten Welt“ aber enormen Raum für Produktivitätsgewinne und den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen.

Smart Investor: Der Nestor Europa hatte 2022 ein schwaches Jahr. Woran lag es?
Stöwer: Im Nestor Europa halten wir viele Titel, die wir als „Listed Private Equity“ definiert haben. Wir trauen diesen Werten langfristig eine hervorragende Entwicklung zu. Aufgrund der Marktenge ist es nicht sinnvoll, hier ständig ein- und auszusteigen. Einige dieser Werte kamen im Vorjahr deutlich zurück und weisen nun krasse Unterbewertungen auf. So hat die ÖKOWORLD AG nur noch einen Marktwert von ca. 250 Mio. EUR, während in der Bilanz ca. 160 Mio. EUR Liquidität schlummert. Da allein der Jahresüberschuss 2021 und 2022 insgesamt ca. 80 Mio. EUR betragen hat, ist die Diskrepanz offensichtlich. Enttäuschungen gab es zudem im IT-Bereich und unter regionalen Aspekten besonders in den nordischen Ländern. Nach dem Boom der Vorjahre ist hier die konjunkturelle Abkühlung deutlich zu spüren. Zum Jahresende werden wir aber mit einem neuen Skandinavienfonds starten – Rezessionsjahre sind bekanntlich Kaufjahre! Dass sich Geduld auszahlt, konnten wir mit der griechischen Jumbo SA beweisen, die wir in Smart Investor 3/2022 an dieser Stelle erwähnt hatten. Der Titel kletterte inzwischen von 13 auf 26 EUR.

Smart Investor: Worauf müssen sich Anleger in den kommenden Monaten u.a. mit Blick auf Zins- und Konjunkturentwicklung an den Märkten einstellen und was bedeutet das für Multi-Asset-Fonds?
Stöwer: In den letzten Jahren konnten wir uns vor Mirabellen aus unserem Garten kaum retten. Der Apfelbaum enttäuschte dagegen regelmäßig. Nach dem sehr kalten Frühjahr 2023 fällt nun die Mirabellenernte komplett aus, während es bei den Äpfeln großartig aussieht. Prognosen bleiben also schwierig. Wer aber seinen Garten oder sein Portfolio hegt und pflegt, wird auf Dauer gute Erträge erwirtschaften. Multi-Asset-Fonds stehen aufgrund der neuen Zinssituation derzeit deutlich mehr Optionen zur Verfügung als in den Vorjahren. Ein aktives Risikomanagement bleibt auch im Rentensektor aber unabdingbar; fallende Zinsen sollten in den nächsten Jahren nicht als selbstverständlich angesehen werden.

Smart Investor: Ein Gründer eines Robo-Advisors verkündete kürzlich in einem Interview, dass die Investmentlandschaft in den 1990ern stecken geblieben ist. Wie verändern Digitalisierung, Big Data und KI das Assetmanagement?
Stöwer: Eigentlich müssten all diese Dinge zu einem wirklich effizienten Markt führen. Überschwängliche Bewertungsblasen oder krasse Unterbewertungen sollten demnach zukünftig nicht mehr vorkommen. Glauben Sie das? Und um die Robo-Advisor ist es ja recht still geworden. Fakt ist: Bei Datenanalyse und Risikomanagement hilft die Digitalisierung enorm, da sind wir längst im neuen Jahrtausend angekommen. Kapriolen wird es an den Märkten aber weiterhin geben. Deshalb bleibt der gesunde Menschenverstand das wichtigste Instrument, um Chancen wahrzunehmen und Risiken zu reduzieren.

Smart Investor: Herr Stöwer, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

Dirk Stöwer ist zusammen mit Martin Beckmann Geschäftsführer der Kontor Stöwer Asset Management in Trier. Beide verantworten den KSAM Einkommen Aktiv (WKN: A113US), den KSAM-Value² (WKN: A2QAX5), den KSAM REBO Flex (WKN: A3DV7N) und den NESTOR Europa (WKN A2ALWN). Zudem betreuen sie in der Vermögensverwaltung bundesweit vermögende Privatkunden. Kontor Stöwer ist auch Veranstalter des IX. FONDSKONGRESS TRIER, der am 5./6.10.2023 stattfindet.

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