Interview
Smart Investor im Gespräch mit dem ebenso berühmten wie kontroversen US-Analysten Martin Armstrong über Staatswirtschaft, Schulden und langfristige Zyklen
Smart Investor: Herr Armstrong, zuletzt sprachen wir vor fast genau zwei Jahren. Könnten Sie bitte kurz Ihren Prognoseansatz erläutern?
Armstrong: Im Wesentlichen geht es um den Geschäftszyklus. Sie werden feststellen, dass die Politik historisch gesehen mit dem Geschäftszyklus auf- und absteigt. Das ist nichts Mystisches oder Übernatürliches. Die Menschen hören nicht unbedingt auf die neuesten Statistiken über Inflation oder Ähnliches. Der Durchschnittsmensch richtet seine Erwartungen danach aus, was er tatsächlich sieht. Wir dagegen forschen. Wir sind in der Firestone-Bibliothek der Princeton University auf eine Liste von Finanzpaniken gestoßen – 26 Paniken in einem Zeitraum von etwa 224 Jahren. Daraus ergab sich grob ein Durchschnitt des Geschäftszyklus von etwa 8,6 Jahren. Sogar Paul Volcker, der 1980 Vorsitzender der Federal Reserve war, stimmte zu, dass der Geschäftszyklus ca. acht Jahre betrage.
Smart Investor: Unser letztes Gespräch stand unter dem Eindruck von COVID-19. „Noch nie in der Geschichte haben die Regierungen so wahnsinnig reagiert“ lautete damals der Titel. Die fast lemmingartige Hysterie von Politik und Massenmedien scheint sich angesichts des Ukrainekriegs sogar noch verstärkt zu haben. Wie besorgniserregend ist das für Sie?
Armstrong: Die Ukraine wurde, um ehrlich zu sein, von diesen Kriegsbefürwortern geschaffen. Sehen Sie Selenskyjs Handeln an. Er wurde auf einem Friedensticket gewählt. Aber leider hat er alles in die entgegengesetzte Richtung getan, etwa, als er die russische Sprache oder das Feiern der orthodoxen Weihnacht verboten hatte. Das wäre so, als würde Kanada die französische Sprache verbieten; dann gäbe es auch dort Bürgerkrieg. Das sind Dinge, die anscheinend absichtlich eine Konfrontation provozieren sollten. Wenn man einen Schritt zurücktritt, sieht man, wie dort unmittelbar nach der Revolution eine Übergangsregierung installiert wurde, die nicht gewählt war. Dann gab es diesen durchgesickerten Anruf „Fuck the EU“ der US-Europabeauftragten Victoria Nuland. Es war diese Übergangsregierung, die angewiesen wurde und absichtlich den Bürgerkrieg begann. Was die Menschen wollten, war Frieden. Solche Provokationen sind immer gegen die Wünsche der Menschen gerichtet. Das ist im Rest der Welt dieselbe Agenda. Es genügt, auf Selenskyj am Tag vor der Invasion zu schauen: Er kündigte damals an, die Ukraine werde sich wieder nuklear bewaffnen. Er sagte sogar, dass er gewusst habe, dass Russland einmarschieren würde. Die Washington Post fragte ihn, warum er seine Leute nicht gewarnt habe. Seine Antwort war: Nun, wenn er sie gewarnt hätte, hätte er 7 Mrd. USD verloren. Das ist Teil ihrer Strategie. Sie wollen, dass Zivilisten sterben, damit sie sagen können: Seht, wie schrecklich Russland ist! Leider ist diese Konfrontation wirklich das, wovon diese Leute schon lange träumen. Sie wissen, dass ihr Finanzsystem zusammenbricht. Regierungen scheitern immer, wenn sie diese Schneeballsysteme betreiben.
Smart Investor: Also sind diese Konfrontationen planmäßig herbeigeführt, um den Kollaps des Finanzsystems zu kaschieren?
Armstrong: Sie geben immer neue Schulden aus, um die alten zu bezahlen. Das Problem kommt, wenn sie diese neuen Schulden nicht mehr verkaufen können. Dann geraten sie in Zahlungsverzug. Darum geht es wirklich. Sie haben alles Mögliche versprochen, aber wirtschaftlich ist das nicht machbar. Sie wissen, dass sie das nicht aufrechterhalten können. Die normalen Menschen in Russland, Europa, den Vereinigten Staaten oder China wollen keine Kriege führen – es sind immer die Eliten, die das tun. Einer der ältesten Überlebenden des Ersten Weltkriegs sagte, wir hätten einfach alle Führer in einen Raum werfen, ihnen eine Pistole geben und sie es selbst regeln lassen sollen. Das andere, was sie vertuschen: In all den verschiedenen Kriegen sterben immer mehr Zivilisten als Soldaten. Warum setzen sie ihre Gesellschaft aufs Spiel? Weil diese nicht gewählten Bürokraten nicht zur Wahl antreten müssen. Es ist ihnen schlicht einerlei.
Die NATO hat keinen Zweck, es sei denn, es gibt Krieg. Wenn Russland nicht wirklich daran interessiert ist, Europa einzunehmen, warum brauchen sie dann die NATO? Also müssen sie das Narrativ weiterführen. Als Reagan seinerzeit Gorbatschow treffen wollte – das hatte er mir damals sogar selbst gesagt –, waren es die Neocons, die Nein sagten, weil man den Russen nie trauen könne. Wenn er sich nicht mit ihm getroffen hätte, wäre die Berliner Mauer nie gefallen. Aber das ist deren Einstellung. Es ist nur Hass. Unter Chruschtschow wollte Russland Europa tatsächlich einnehmen. Sie haben ihr Wirtschaftssystem, den Kommunismus, fast wie eine Religion vorangetrieben. Nun, der Kommunismus ist gescheitert. Ich denke, dass die Neocons wütend sind, dass sie nie jemanden erschießen durften.
Smart Investor: Sie beschäftigen sich intensiv mit dem sogenannten Kriegszyklus. So wie wir es verstehen, ist das etwas ziemlich Mechanisches, das ohnehin passieren wird. Die Parteien, die dann konkret gegeneinander in den Krieg ziehen, finden sich also fast zwangsläufig. Sind wir noch am Anfang dieses Zyklus oder liegt das Schlimmste schon hinter uns? Was bedeuten diese Entwicklungen, insbesondere für Europa und die beiden großen Allianzen Russland/China auf der einen Seite und USA/NATO auf der anderen?
Armstrong: Leider fangen wir gerade erst an. Im Vergleich zu anderen Malen haben wir diesmal allerdings zwei Zyklen: Einer ist der Zyklus ziviler Unruhen, der andere der Kriegszyklus, der internationaler Natur ist. Normalerweise treffen sie nicht zusammen, diesmal jedoch schon. Daher werden wir Unruhen sehen, die tendenziell mehr binnenorientiert sind und zu Revolutionen, Separatismus etc. führen können. Darüber hinaus haben wir Kriege. Ich denke, es liegt größtenteils daran, dass die Menschen zu realisieren beginnen, dass COVID-19 Unsinn war. Es schien hauptsächlich eine Übung in Verhaltenskontrolle zu sein. Das Virus selbst war sicherlich nicht verheerender als eine ernste Grippe. Ich denke, das hat das Vertrauen in die Regierungen stark untergraben. Ich habe die neuesten Gallup-Umfragen in Europa gesehen, wonach dieses Vertrauen auf 30% abgesunken ist. Das Vertrauen der Amerikaner in die Demokratie liegt demnach sogar nur bei 28%. Das ist auch eine Folge der Anklagen gegen Trump und der durch die 2020er-Präsidentschaftswahl aufgeworfenen Fragen. Studien haben gezeigt, dass Trump gewonnen hätte, wenn man die Briefwahl ausschließen würde.
Leider zeigt unser Computer, dass das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2024 – unabhängig davon, wer gewinnt – von der unterlegenen Seite nicht akzeptiert werden wird. Zudem scheint der Krieg zu einem viel ernsteren Konflikt zu eskalieren, der seinen Höhepunkt erst im Bereich 2027/28 haben wird. Man muss sich fragen, was mit diesen Leuten los ist. Russland zu konfrontieren ist eine Sache – aber sie konfrontieren gleichzeitig auch noch China, Nordkorea und den Iran.
Smart Investor: Wird eine Ausweitung des Kriegs auch deshalb wahrscheinlicher, weil es vielleicht der Weg ist, die tief gespaltenen Gesellschaften gegen einen äußeren Feind zu vereinen?
Armstrong: Ja, genau dafür bedienen sie sich normalerweise des Kriegs. Das ist einer der ältesten Tricks, der bis in die Zeiten des antiken Roms zurückgeht. Sie wissen einfach, wie man die Menschen manipuliert. Gebt ihnen Brot und Spiele und sie lassen uns in Ruhe.
Smart Investor: Wenn der Krieg eskaliert, ist dies eine Zeit für Investitionen in Rohstoffe, einschließlich Gold?
Armstrong: Ja, aber ich meine, sie versuchen auch, das als Ausrede zu benutzen, um Bargeld abzuschaffen und zu diesen CBDCs zu wechseln bzw. ein Bretton Woods 2.0 zu schaffen. Selbst in den Vereinigten Staaten nimmt die US-Steuerbehörde IRS an, dass der Durchschnittsbürger 35% zu wenig an Steuern bezahlt. Sie trauen den Menschen einfach nicht. Mein Argument ist, dass es mir einerlei ist, wie viel Steuern sie einsammeln, weil das Geld nie reichen wird: Denn das ist Teil des marxistischen/sozialistischen Systems. Sie wissen überhaupt nicht, wie sie zur Wahl antreten sollen, ohne die Menschen vorher zu bestechen – wählt mich und ich gebe euch dies und das und nehme es von den anderen. Dieses Spiel geht zu Ende. Wissen Sie, was eine Gesellschaft voranbringt? Es ist das Individuum. Es ist der Einzelne, der Dinge erschafft, nicht der Staat. Die Regierung ist unfähig, ein Geschäft zu führen – man braucht Unternehmer, die Risiken eingehen. Aber heute soll alles reguliert und gleichgemacht werden. Das ist absurd.
Smart Investor: Noch einmal zurück zur US-Wahl. Wer wird Ihrer Einschätzung nach gewinnen?
Armstrong: Der Computer zeigt, dass Trump mit über 60% gewinnen würde, was nur drei Präsidenten in der Geschichte geschafft haben. Was werden sie also tun? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn als Präsidenten zulassen. Es wird also zu Unruhen kommen. Vielleicht werden sie ihn auch ermorden. Sie hassen Trump so sehr, weil er gegen Krieg ist. Er hat das letzte Mal alle Neokonservativen gefeuert. Als ich aufwuchs, hat Richard Nixon China für den Handel geöffnet, alle waren für den Frieden. Jetzt scheint es, als wolle jeder Krieg.
Für die Wahl 2028 prognostiziert mein Modell übrigens einen 78%igen Sieg für die Republikaner. Das spiegelt ernsthaften Unmut wider. Viele Menschen realisieren, dass etwas einfach nicht stimmt. Aber auf der anderen Seite haben Sie diese Leute, die sich eingegraben haben, was man so den Tiefen Staat nennt; FBI, CIA etc. Die sind alle gegen Trump. Der Konflikt zwischen Trump und dem Tiefen Staat ist wohl einer der Gründe dafür, dass der Computer für 2025 Unruhen vorhersagt.
Smart Investor: Kommen wir zu den wirtschaftlichen Kernthemen. Die Inflation bildete 2022 eine Spitze aus und kam dann zurück. War es das oder muss mit Blick auf den Krieg mit mehr gerechnet werden?
Armstrong: Während eines Kriegs kommt es zu noch mehr Engpässen und zu Inflation. Sie werden reagieren wie zuvor, mit Rationierung, Preissteuerung etc. Das haben sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg auch gemacht. Die Inflation wird eindeutig steigen. Sobald ein Krieg beginnt, führt das zu mehr Engpässen. Die Leute nehmen ihr Geld „vom Netz“ und suchen einen Ort zum Parken. Sie vertrauen den Banken nicht. Sie vertrauen der Regierung nicht. Also kaufen sie Gold, seltene Münzen, Kunst, Immobilien etc. – und treiben dort die Preise. Ich lebe in Florida und bekomme mindestens drei Anrufe pro Woche, ob ich mein Haus verkaufen will. Nein, danke. Wohin soll ich denn gehen? Etwa nach Chicago?!
Beim Bitcoin wäre ich vorsichtig. Sie wollen die CBDCs und hassen die Konkurrenz. Der ganze Zweck der CBDCs ist es, das Bargeld zu eliminieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Kryptowährungen als Alternative zulassen – das würde dem ganzen Zweck einer CBDC zuwiderlaufen. Ich bevorzuge die echten, greifbaren Dinge, einschließlich physischen Goldes. Immaterielle Dinge sind sehr anfällig für Kontrolle. Sie könnten beispielsweise einfach ein Gesetz verabschieden, wonach jeder, der mit Kryptowährungen handelt, eine Banklizenz benötigt.
Smart Investor: Um die Kontrolle des Geldprivilegs wird also weiter mit harten Bandagen gekämpft?
Armstrong: Ja, so ist es. Ich meine, darum geht es bei diesem ganzen CBDC-Thema. In den USA sind es die fünf größten Banken, die diese CBDCs herstellen, hauptsächlich, weil sie dann alles, was verdächtig aussieht, der Regierung melden können. Die Regierung könnte das selbst nicht, sie bräuchte einen richterlichen Beschluss. Es ist das COVID-Modell. Gemäß dem ersten Zusatzartikel der US-Verfassung darf die Regierung kein Gesetz verabschieden, das die freie Meinungsäußerung einschränkt. Aber Facebook, YouTube und all die anderen haben das getan und tun es weiterhin. Also werden es die privaten Banken sein, welche die CBDCs machen, die von der Regierung nur reguliert werden. Die Privaten können dann auf Verdacht und ohne Durchsuchungsbefehl aktiv werden.
Smart Investor: Die kommenden zwei Jahre werden für die Zentralbanken ohnehin schwer zu navigierende Gewässer sein, zwischen Inflation, Unruhen und Krieg. Schließen Sie sich der allgemeinen Erwartung einer geldpolitischen Lockerung an?
Armstrong: Sie müssen verstehen, dass die Zentralbank nur den kurzfristigen Zinssatz kontrolliert. Der langfristige Satz wird durch den Markt festgelegt. Sie können hier lediglich versuchen, das Angebot aufzukaufen, weil sie den langfristigen Zinssatz nicht festlegen können. Darum geht es beim Quantitative Easing. Aber wenn sie so verhindern wollen, dass die langfristigen Zinssätze steigen, erhöhen sie nur die Inflation. Sie befinden sich in einer Zwickmühle. Die Idee der keynesianischen Wirtschaftssteuerung hat versagt, genau wie der Kommunismus. Heute ist die Regierung der größte Kreditnehmer. Wenn die Zentralbanken also die Zinssätze erhöhen, um unsere Nachfrage zu beeinflussen, beeinflussen sie die Regierung noch stärker als uns. Die Dinge haben sich seit Keynes geändert und die Zentralbanken erkennen, dass ihre Werkzeuge nicht mehr funktionieren. Aber auch die CBDCs werden scheitern, weil das System, die sozialistische Idee, ins Extreme gegangen ist. Letztendlich erzeugen sie nur Inflation.
Dabei sind die Staatsschulden viel wichtiger als die Notenbankpolitik, denn diese Schulden werden heute als „Sicherheit“ verwendet. Vor dem Zusammenbruch von Bretton Woods war diese Praxis illegal. Deshalb war die Theorie vorher: Wenn die Regierung Geld per Staatsanleihen leiht, ist das weniger inflationstreibend, als wenn sie es drucken lässt. Als das System aber zu scheitern begann, durften diese Anleihen auch als Sicherheit verwendet werden. Sie waren damit zusätzliches Geld, das Zinsen trug. Es ist das Staatsdefizit von vielen Billionen, das dieses neue Geld schafft, weniger die Zentralbanken.
Smart Investor: Das ist ein interessanter Aspekt. In den letzten Jahren warnten die meisten Ökonomen vor einer US-Rezession. Sie gehörten nicht dazu und behielten recht. Was waren Ihre Argumente?
Armstrong: Wir schauen uns die Märkte, Kapitalflüsse und Rohstoffe in unserem Computermodell an – und das signalisierte einen Anstieg. Unser Modell erreicht seinen Höhepunkt erst am 7.5. dieses Jahres. Also werden wir jetzt wahrscheinlich bis 2028 in eine Rezession blicken. Aber das wird mehr eine Stagflation wie in den 1970ern sein, wo es immer auch noch Inflation geben wird. Das Wirtschaftswachstum wird aber geringer sein als die Inflationsrate. Wir sahen die Inflation schon vorher und dann wurde das durch COVID zusätzlich beschleunigt. Wenn die Menschen das Vertrauen in die Regierung verlieren, wird es nur noch ein geringes Interesse für langfristige Anleihen geben. Warum sollte man vor dem Hintergrund des Kriegsgeredes überhaupt eine zehnjährige Anleihe kaufen? Den Mächtigen geht es effektiv nur um ihr Eigeninteresse. Was muss ich tun, um die Wahl zu gewinnen? Das ist es. Es geht nicht darum, was gut für das Land ist. Deshalb sollte der Regierung niemals erlaubt werden, Schulden zu machen, denn sie geht immer pleite.
Smart Investor: Was bedeutet dieses ganze Umfeld eigentlich für Aktienanleger? Ist das immer noch eine Mauer der Angst, die sie erklimmen, oder sind wir bereits in einer Blase, die kurz davor ist, zu platzen?
Armstrong: Man kann die Situation nicht mit 1929 vergleichen; damals hatte die Regierung einen ausgeglichenen Haushalt. Das Problem lag im privaten Sektor. Diesmal liegt das Problem im Staatssektor. Deshalb steigen die Aktienmärkte. Die Leute, die von einer Blase sprechen, beurteilen dies auf Basis der Ereignisse von 1929. Die zugrunde liegenden Fundamentaldaten sind andere. Die Menge an Geld im Staatssektor ist weltweit fast zehnmal so hoch wie in Aktien. Also gibt es viel Geld, das im Grunde umgeschichtet wird. Wir bekommen entsprechende Anfragen von einigen der größten Institutionen der Welt. Wahrscheinlich wird der Aktienmarkt im Herbst die Unterstützung noch einmal testen, aber die entscheidende Frage ist hier: Will ich Staatsanleihen, wenn diese Leute Krieg führen und ohnehin unfähig sind, der Wirtschaft einen vernünftigen Rahmen zu schaffen – oder wäre ich besser dran mit Anteilen eines guten Unternehmens, das Vermögenswerte hat? Dieses Mal ist es das komplette Gegenteil der 1930er-Jahre.
Smart Investor: Das klingt nach dem Szenario, das die Austrians Crack-up-Boom nennen, eine Flucht aus dem Geld.
Armstrong: Ja, das ist definitiv eine Flucht vor der Regierung. Es ist das, was wir den Wechsel zwischen öffentlichen und privaten Zyklen nennen. Wem vertraut man mehr? Die private Welle, die 1985 begann, endet erst 2032. Das ist die Zeit, in der das Kapital dem privaten Sektor mehr vertraut als der Regierung. Entsprechend sieht die Regierung, dass sie an Macht verliert. Sie wird autoritärer. Dies ist das Kennzeichen dieser besonderen Welle. Man wird sehen, dass die Regierung aggressiver wird, weil das System für sie zusammenbricht. Sie können so nicht weitermachen, aber sie kennen auch keinen anderen Weg, eine Regierung zu führen. Sie beschuldigen uns, ihnen 35% Steuern vorzuenthalten, und sie gehen standardmäßig zu den CBDCs über. Selbst wenn sie mehr Steuern einnehmen, werden sie immer mehr ausgeben. Sie sind reformunfähig.
Smart Investor: Was sind vor diesem Hintergrund für Investoren die besten und die schlechtesten Anlagen auf Sicht von zwei bis drei Jahren?
Armstrong: Die schlechteste Anlageklasse sind definitiv Staatsanleihen – Bundes-, Landes- und Kommunalanleihen. Halten Sie sich einfach auf allen Ebenen von der Regierung fern. Ich würde einen Teil in den amerikanischen Aktienmarkt investieren. Man will nicht alles an einem Ort haben, aber Aktien sind wahrscheinlich immer noch das Beste. Der Dow hat ein wichtiges Hoch erreicht. Wenn man sich die drei Indizes ansieht, spiegelt der Dow in der Regel das internationale Großkapital wider. Diese Rally wurde vom Dow angeführt. Der S&P hat gerade erst ein neues Hoch erreicht, der NASDAQ nicht. Letztendlich wird der Nasdaq aufholen, aber das ist eher ein Markt für die Endkunden. Der war relativ schwächer, weil so viele Leute weiterhin davon reden, dass es eine Blase sei, die platzen werde. Das sagen sie jetzt schon seit zwei Jahren. Das Gleiche wird immer wieder gesagt. Man kann Märkte nicht aufgrund einer persönlichen Meinung vorhersagen. 2011 und 2018 haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass China die Vereinigten Staaten überholen werde. Viele glaubten mir nicht, weil sie diese Vorhersage nicht mochten. Auch China stellt eine Investitionsmöglichkeit dar, aber während der nächsten Jahre ist wegen der geopolitischen Spannungen Vorsicht geboten.
Das größte Problem für Europa war, dass dort 2014 negative Zinssätze eingeführt wurden – so haben viele der Anleihen, die in dieser Zeit ausgegeben wurden, 30% bis 40% verloren, als die Zinssätze wieder gestiegen sind. Bei vielen Pensionsfonds und Banken legt einfach die Regierung fest, dass sie konservativ und vertrauenswürdig anlegen müssen. Den Investitionen in den Privatsektor werden diese Attribute abgesprochen, weshalb sie gezwungen sind, in Staatsanleihen zu investieren. Was aber, wenn diese Staatsanleihen das eigentliche Problem sind? Ich kann nicht sagen, welcher, aber ich habe in der Vergangenheit mit einem der größten Pensionsfonds in Übersee gesprochen, und die haben unsere Modelle als Teil ihrer Analysen genutzt, um eine Neugewichtung ihrer Portfolios zu erwägen. Diese Analyse führte dazu, dass sie anfingen, Staatsanleihen zu verkaufen und AAA-Unternehmensanleihen zu kaufen. S&P kritisierte das höhere Risiko, aber es ist immer der Staat, der ausfällt, nicht der private Sektor, also war dies eine wichtige Überlegung bei der Reduzierung des Risikos. Regierungen haben bewiesen, dass sie im Grunde alles tun können, was sie wollen, wenn sie dazu motiviert sind. Ein Beispiel: Italien verlängerte kurzerhand 90-tägige Wertpapiere auf eine Laufzeit von 10 Jahren, weil sie nicht zurückzahlen konnten.
Smart Investor: Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.
In Börsenkreisen gilt der US-Amerikaner Martin Armstrong (Jahrgang 1949) als Legende. Bereits Anfang der 1980er-Jahre prognostizierte er zutreffend den Börsencrash des Jahres 1987 – und sah inmitten der Panik neue Höchstkurse für 1989 voraus. Auch das Platzen der japanischen Aktienblase Ende 1989 sagte er voraus. Seine Prognosen erstellte er mit dem von ihm selbst entwickelten Economic Confidence Model (ECM). Dessen Basis bildet eine Datenbank zur Münzgeschichte, anhand derer Armstrong die (Finanz-)Geschichte rekonstruierte. Seine tagesaktuellen Einschätzungen finden Sie auf dem Blog https://armstrongeconomics.com.
Das nächste ECM-Seminar von Martin Armstrong findet am 24./25.5.2024 in London statt.