Kolumne II
Gastbeitrag von Dr. Harald Preißler, BANTLEON
Die Inflation war lange verschollen, ist nun aber mit voller Wucht zurückgekehrt. In der Eurozone betrug die Teuerungsrate im März 7,5%, in den USA sogar 8,5% – Vergleichbares hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Zahlreiche Experten beschwichtigen mit dem Verweis auf temporäre Sonderfaktoren, u.a. die explodierenden Energiepreise. Letzteres ist zwar nicht zu leugnen, weshalb die Inflationsraten im Jahresverlauf wieder etwas sinken werden, aber die langfristigen Auftriebskräfte sind mächtig und haben erst begonnen, ihre unheilvolle Wirkung zu entfalten. Wir werden uns an einen grundlegenden Wandel des Inflationsklimas gewöhnen müssen – mit weitreichenden Folgen für die Asset Allocation.
Struktureller Inflationstreiber
Der bedeutendste strukturelle Inflationstreiber ist die Demografie. Mehr als drei Jahrzehnte hatte das globale Überangebot an Arbeitskräften Druck auf die Löhne in den Industriestaaten ausgeübt. Die seit den 1970er-Jahren deutlich gesunkenen Geburtenraten führen indes punktgenau zwei Generationen später zu einer spürbaren Verknappung der Arbeitskräfte. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Auf der einen Seite dämpft der demografische Wandel das Wachstumstempo der Weltwirtschaft. So dürfte das reale BIP auf globaler Ebene in der nächsten Dekade nur noch um 2% p.a. steigen, um rund einen Prozentpunkt weniger als im Zeitraum 2010 bis 2019. Zudem kehren sich nach vielen Jahren der Lohnzurückhaltung die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt um. Das führt zu deutlich steigenden Löhnen.
Rohstoffsuperzyklus
Die Demografie ist jedoch nicht der einzige Inflationstreiber – auch die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif. So werden sich die Preise für CO2-Zertifikate von 2021 bis 2030 vervierfachen. Zudem werden für die Erreichung der Klimaziele gewaltige Mengen an Industriemetallen und anderen Grundstoffen benötigt. An den Rohstoffmärkten trifft mithin eine exponentiell wachsende Nachfrage auf ein bestenfalls linear expandierendes Angebot. Die Folge ist ein neuer Superzyklus bei den Rohstoffpreisen. Daneben wird auch der fiskalisch induzierte Teuerungsdruck zunehmen. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, die Digitalisierung und neu auch noch in die Landesverteidigung werden über Kredite finanziert. Das bedingt zunehmende wirtschaftliche Volatilität und steigende Inflation. Ähnlich wirkt auch das Phänomen der Deglobalisierung: Seit Jahren werden international wieder Handelsbeschränkungen errichtet – über höhere Zölle oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse.
Fazit
Wir befinden uns inmitten eines gewaltigen Umbruchs, der durch ein nachlassendes Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig anziehender Inflation gekennzeichnet wird. Die Notenbanken werden mit deutlich steigenden Zinsen reagieren müssen. Die Folgen für die Finanzmärkte werden gravierend sein. Steigende Zinsen sowie höhere Lohn- und Materialkosten belasten die Gewinnmargen der Unternehmen und untergraben damit gleich von zwei Seiten die Aktienmarktbewertungen. Deshalb empfiehlt sich ein Fokus auf solide Unternehmen mit hohen Gewinnmargen und mit Preissetzungsmacht – z.B. aus dem Segment Basisinfrastruktur – sowie auf disruptive Firmen. An den Anleihenmärkten drohen beim Zinsanstieg hohe Kursverluste, weshalb dort aktives Durationsmanagement zwingend bleibt.
Dr. Harald Preißler ist Aufsichtsratsvorsitzender der BANTLEON Invest GmbH und Vizepräsident des Verwaltungsrats der BANTLEON BANK AG. Nach dem VWL-Studium und noch während der Promotion begann er 1999 als Senior Analyst bei der BANTLEON BANK AG. 2001 wurde Preißler zum Leiter der Kapitalmarktanalyse, 2005 zum Chefvolkswirt der BANTLEON BANK AG und 2010 zum CIO ernannt. Ende 2017 gab er seine Aufgaben als Chefvolkswirt ab, um sich als CIO auf den weiteren Ausbau des Anlagemanagements zu konzentrieren, 2018 wechselte er in den Verwaltungsrat der BANTLEON BANK AG. 2020 wurde er zudem zum Aufsichtsratsvorsitzenden der BANTLEON AG gewählt, die im Februar 2022 in die BANTLEON Invest GmbH umgewandelt wurde.