Interview
Smart Investor im Gespräch mit Armin Zinser, Société de Gestion Prévoir, über die Auswahl von Qualitätsaktien sowie die anstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich
Smart Investor: Der von Ihnen gemanagte Prévoir Gestion Actions wurde gerade von der Ratingagentur Mountain-View für seine gute Performance ausgezeichnet. Was ist der Kern Ihres Erfolgsrezepts beim Stock Picking?
Zinser: Die Antwort ist relativ einfach: Qualität glänzt! Mein Credo: Kaufe innovative (Familien-)Unternehmen, die in Zukunftsmärkten – möglichst mit strukturellem Wachstum – aktiv sind. Zahle nicht zu viel und vermeide grundsätzlich Firmen, die staatlichen Einflüssen ausgesetzt sind. Sei geduldig, blende das Marktrauschen bestmöglich aus und lasse – das nach Albert Einstein angeblich achte Weltwunder – den Zinseszins seine Arbeit machen. Halte dich an Investments, die du verstehst, und gehe deinen eigenen Weg: Denn wer der Herde folgt, sieht meist nur deren Hinterteil. Derivative Produkte, gleichbedeutend mit Market Timing, bleiben bei mir außen vor, weil ich nicht amateurhaft auf Versprechen hereinfallen möchte, die eine Mehrrendite ohne die Inkaufnahme eines höheren Risikos versprechen.
Smart Investor: Wie hat die Corona-Situation die Geschäftsmodelle von Unternehmen verändert, in die Sie investieren? Was wird die Aktienmärkte aus Ihrer Sicht in den kommenden Monaten bewegen?
Zinser: Die Corona-Krise hat ganz klar Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Firmen. Als Investor kann ich nur so viel sagen: Eigentlich sind die schon vor der Pandemie guten und soliden Firmen jetzt noch besser geworden. Themen wie Cloud Computing, IT-Sicherheit, Digitalisierung bzw. Automatisierung sowie Gesundheitsvorsorge sind und bleiben für Investoren wichtig. Ein großes Problem ist allerdings die Zinspolitik der EZB, die uns nicht wenige Zombiefirmen gebracht hat. Wir haben eine Bugwelle von notleidenden Krediten vor uns, die irgendwann bereinigt werden muss. Möglicherweise wird das Eigenkapitel der kreditgebenden Banken nicht ausreichen, die notwendigen Wertberichtigungen vorzunehmen; es sei denn, wir strecken es über Jahre, um nicht zu sagen: Jahrzehnte. Die Inflation könnte ein größeres Problem werden, da immer mehr Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, ihre Kostensteigerungen aus dem Rohstoffbereich an die Kunden weiterzugeben. Bei Konzernen, die stark von Rohstoffpreisen abhängig sind, heißt es daher, als Investor vorsichtig zu sein.
Smart Investor: Logischerweise geht nicht jede Investmentidee auf. Sie waren in Wirecard investiert. Wie sind Sie aus der Aktie rausgekommen?
Zinser: Im Nachhinein kann man natürlich immer „Wie konnte ich nur?“ sagen. Es war für mich jedoch kein schlechtes Investment, da ich ziemlich früh zu knapp über 6 EUR eingestiegen bin und meinen Einstand vervielfachen konnte. Ich bin also glimpflich davongekommen, nachdem ich die letzten Stücke zu 35 EUR verkaufen konnte – aber gegen Betrug ist man leider nicht gefeit.
Smart Investor: Wie beurteilen Sie aus Sicht der Österreichischen Schule, deren Gedankengut Sie als richtig einschätzen, die weitere Entwicklung in der EU mit andauernden Null- und Negativzinsen sowie der fiskalpolitischen Stimulierung u.a. zur „Vergrünung“ der Wirtschaft?
Zinser: Es versteht sich von selbst, dass auch ich in einer gesunden und intakten Umwelt leben möchte – nur muss man sich die auch leisten können. Dazu brauchen wir eine wettbewerbsfähige, innovative Industrie mit möglichst wenig Reglementierungen und Verboten. An einer grünen Verbotspolitik kann ich absolut nichts finden, sie ist für mich kontraproduktiv. Politische Zielvorgaben kommen ja meist aus dem Wolkenkuckucksheim, sind also nicht wirklichkeitsnah, sondern effekthascherisch. Die Wissenschaft von heute ist in meinen Augen auch nichts anderes als der gegenwärtige Stand des Irrtums. Nichtsdestoweniger müssen wir Ökologie und Ökonomie koordinieren. Daher muss man sich schon fragen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, bestehende, CO2-neutrale, sichere deutsche Kernkraftwerke für eine gewisse Übergangszeit weiter zu benutzen. Ein deutscher ideologischer Alleingang hilft dem Weltklima gar nichts.
Smart Investor: In Deutschland stehen die Bundestagswahlen vor der Tür, in Frankreich wird im kommenden Jahr der Präsident gewählt. Was erwarten Sie von den Abstimmungen?
Zinser: Hier in Frankreich kennen wir noch nicht mal alle Kandidaten, obwohl ich selbstverständlich davon ausgehe, dass Präsident Macron sich erneut zur Wahl stellt und daher möglicherweise erneut Marine Le Pen in der Stichwahl gegenübersteht. Obwohl er bei der letzten Wahl im ersten Wahlgang lediglich auf 15% der Stimmen gekommen ist, dürfte Macron die Stichwahl erneut gewinnen – also bleibt alles beim Alten, es sei denn die Gelbwestenbewegung spielen ihm in den kommenden Monaten noch einen Streich. Bei den Wahlen in Deutschland gehe ich davon aus, dass wir im Herbst eine Koalition aus CDU/CSU und GRÜNEN bekommen werden. Keine unbedingt wünschenswerte Situation, da sie Deutschland weiterhin blockiert und definitiv innovativ nicht voranbringt. Vom Ausland aus betrachtet sägt sich Deutschland den Ast als Industriestandort ab, auf dem es sitzt. Am meisten bräuchte Deutschland unter der neuen Regierung – neben Entbürokratisierung und Digitalisierung – eine Verpflichtung der Politik auf die Versorgungssicherheit und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Energiepreise.
Smart Investor: Herr Zinser, vielen Dank für die interessanten Ausführungen.
Armin Zinser ist für die Aktienanlagen der französischen Versicherung Groupe Prévoir zuständig. Daneben managt er die Publikumsfonds Prévoir Gestion Actions (WKN: A1T7ND) und Prévoir Perspectives (WKN: A1XCQU). Als waschechter Anhänger der Österreichischen Schule der Ökonomik bezeichnet Zinser seinen Anlagestil als pragmatisch und am gesunden Menschenverstand orientiert. Einer dezidierten Strategie möchte er sich daher nicht zuordnen lassen. Der gebürtige Schwabe lebt seit vielen Jahren in Paris. Bevor er zu Prévoir Gestion wechselte, war Zinser für die OECD im Assetmanagement tätig gewesen.Seine Fonds wurden mehrfach mit dem „Lipper Fund Award“ ausgezeichnet, der Prévoir Gestion Actions in den letzten Jahren sogar für den Zeitraum von zehn Jahren.